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Beobachtungsbericht   10.-11.07.2023   (03/2023)

Schwarzwald Summer Midnight



So sehen Schwarzwälder Mittsommernächte aus:
das Beobachtungs-Control-Pult in action !

Beobachtungs-Daten

Beobachter: P. Surma
Datum/Zeit: 10.06.2023, 22:00 - 2:00 MESZ
Ort: HOTZ
Kollegen: -

Sonne: Untergang 20:13 MESZ
Nautische Dämmerung Ende 23:02 MESZ
Astronomische Dämmerung 00.22 - 02:44 MESZ
Mond: Aufgang: 01:08 MESZ
Phase abnehmend, 41% beleuchtet

Wetter: klar, leichter Höhenschleier
Temperatur: 19°C
Atmosphäre: Transparenz mittel, Seeing passabel
Himmel (SQM-L): 20.0...21.45 mag/sas

Teleskope: 8" f/4.5 Newton (Orion UK)
8x42 Feldstecher (Hawke ED)
Montierung: Azimutalstativ
Filter: Astronomik OIII
Okulare:
(Newton 8" f/4.5)

→ Details zu Teleskop/Technik
f [mm] 31 20 13 9 5 2.5







AP [mm] 7.8 5 3.3 2.3 1.3 0.65
V 29x 45x 69x 100x 180x 360x
Feld 2.8° 1.8° 1.2°
71'
0.82°
49'
0.46°
27'
0.23°
14'
Limit [mag] 13.8 14.5 14.9 15.1 15.0 14.9


Objekte: Emmissions- und Reflexionsnebel (BN):
      M16, M17, M20, M8, Nordamerika, Cirrus (SNR)
Dunkelnebel (DN):
      DN-Gebiet neben Schildwolke
Galaxien (Gx):
      M101 mit SN 2023ixf
Lokale Gruppe (Gx-LG):
      -
Cluster (Gx-Cl) + Gruppen (Gx-Grp)
      -
AGN (Quasare, Seyfert, BL Lac):
      -
Planetarische Nebel (PN):
      -
Planeten, Kleinplaneten, Monde:
      Saturn mit Titan
Sternhaufen:
      M10, M12, M14, M11, M26
Sterne:
      Barnard's Pfeilstern = Gliese 699, SN 2023ixf
Anderes:
      Komet C/2023 E1 (ATLAS)


Bilder der Objekte: © STScI Digitized Sky Survey.   Alle Daten + Zeiten (in MESZ) aus Guide 9.1 soweit nicht anders angegeben. Klick auf das XRef -Symbol vor jedem Objekt springt meine Querverweis-Seite mit zusätzlichen Links + Infos. Click auf die #<name> links unterhalb von Überschriften springt zu diesem Kapitel und zeigt im URL-Fenster des Browsers die entsprechende Direkt-URL (f. Referenzierung von aussen). Maglimits der Okulartabelle sind gerechnet für optimale Bedingungen im Zenit und fst 6.5m. Meine subjektiven Highlights der Nacht sind gelb markiert.


Übersicht

(0)   Der die Schlange trägt
(1)   Barnard's Pfeilstern - aka Gliese 699 (ST, Oph)
(2)   Supernova 2023ixf   in M101 (SN, UMa)
(3)   Komet C/2023 E1 (ATLAS)   (SOL, UMi)
(4)   Die Kugelsternhaufen des Ophiuchus   (GC, Oph)
(5)   M11 und Schildwolke   (OC, Sct)
(6)   Die Gasnebel südlich der Schildwolke   (BN, Sgr)
(7)   Und der ganze Rest...

fn    Final Notes


Diskussions-Threads



Einführung

Das sichtbare Univerum ist nicht unendlich. Das Volumen eines Urlaubsautos auch nicht. Wir haben auf der Reise in den Schwarzwald so ziemlich alles dabei (einiges Werkzeug, die Motorsense, den Kärcher, 2 MTBs, Kayaks + Kram, you name it...). Das Auto ist einfach VOLL - da passt mein 20" Dob nun wirklich nicht auch noch rein. Ich muss also runter auf 8" öffnung (plus kleines Azimutal-Stativ, plus wünziges Okularköfferchen), das ist mistig - aber wir haben ja sowieso Halbmond und helle Nächte. In 10 Tagen Schwarzwald Aufenthalt wird's wohl schon ein/zwei Male klar werden, so hoffe ich.

In einer ersten (und noch kürzeren) Vorbereitungsnacht (am 8.7.) hatte ich schon einige Test-Objekte (M57, M27, Cirrus, etc.) für meinen Freund Thorsten beobachtet. Thema: 'Wie sieht das alles in 8-10" aus ?' Da er gerade erst anfängt (demnächst mit 10"), bekommt er ein kleines Einführungs-Programm von mir. Aber HEUTE habe ich selber auch noch ein paar Objekte zu beobachten. Ja, es ist auch mal gut, 'bescheiden' mit 8" zu beobachten, aber 20" wär schon besser gewesen, grummel, grummel.

Sei's drum und carpe diem !

Die Nacht ist leider nicht optimal: späte astronomische Dämmerung um 0:22, dann bald Mondaufgang gegen 01:08, also gerade mal ½h ...1h dunkle Zeit, mit heller Zeit vielleicht 2h. Für ein Hardcore-DSO Programm wird das alles also sowieso nicht reichen. Dennoch, ich bin zufrieden am Ende, Himmel (zeitweise) bis 21.45mag/sq.arcsec dunkel und viele schöne Objekte und Einsichten. Das Wetter ist passabel, aber ebensowenig optimal, Herrgott - heute leichter Höhenschleier (abgeschwächte Transparenz merkbar). Schon tagsüber erschien der Himmel weisslich, nicht mehr so tiefblau wie bisher... (auf ca 900m Höhe). Wir nehmen heute, was man kriegen kann.

Let's get goin'...



Beobachtungsplatz auf der Terrasse
(Orion UK Foto-Newton 8" f/4.5)
Arrrgh, warum müssen Teleskoptuben immer blendend weiss sein !?



Beobachtungen


(0) Der die Schlange trägt

Es ist 22:40, das SQM zeigt um die 19mpsas (= mag per square arcsec). Kein Wunder gerade ist die nautische Dämmerung zu Ende, noch über 1h bis es richtig 'astronomisch' wird. Und nur noch 2h Zeit bis zum drohenden Mondaufgang...

Das Sternbild Ophiuchus gehört nicht zu meinen Favourites, sprich: ich hatte nie richtig kapiert, welche Sterne nun wo genau dazugehören. Heute aber brauch ich's mal: also Abgrenzung zum südlichsten Herkules-Stern Ras Algethi, bildet ein Dreieck mit Rasalhagu (α Oph, immerhin 2mag) und κ Oph, was ich mal schnell erkennungs-operativ zum Hut des Schlangenträgers mache. Links im Osten unterhalb steht Cebalrai (β Oph, 2.7mag), der wird (zusammen mit seinen Nachbarsternen) ebenso resolut zur Schulter des Schlangenträgers ernannt. Den restlichen gut 25° grossen Kreis des Ophiuchus gehe ich auch Stern für Stern ab - aha, DAS ist also der Schlagenträger ! - ab damit in den visuellen Cortex, Pattern-Abteilung. Später am Schreibtisch merke ich noch, dass die Schlange Serpens (Ser) ja im Osten UND im Westen aus dem Träger hinausragt (das Sternbild Ser ist in 2 Teile räumlich voneinander getrennt). Jetzt ist mir für immer alles klar: so 'ne grosse, schwere Würgeschlange trägt sich symmetrisch über die Schultern gelegt ja viiiiel besser...

Der Schlangenträger ist bekannt für seine Kugelhaufen - unten dann ein Vorgeschmack davon !
Aber eben auch bekannt für...


(1) Barnard's Pfeilstern - aka Gliese 699 (ST, Oph)

#gliese699 #barnards_star

XRef
           
Barnard's Pfeilstern ist nicht nur aus dem Anhalter durch die Galaxis bekannt, sondern eben auch als ein Stern der näheren Sonnenumgebung. Guide 9.1 hat ihn in seiner Liste der sonnennächsten Sterne auf Platz 3, gleich hinter α und Proxima Centauri (ok, α Cen ist doppelt - also dann eben #4 :-). Die Nachbarschaft sollte man definitiv kennen und mal - wieder ! (hatte ihn 2008 schonmal beobachtet) - in Augenschein nehmen. Das SQM-L zeigt jetzt um 23:10 knapp 20.0mpsas.

Guide findet Barnard's Star natürlich sofort (Finden → Stern → Stern in Sonnenumgebung) - über besagter Schulter des Oph, 'ne prima Aufsuchhilfe ! Auch am Himmel ist die Schulter wohl strukturiert: von Cebalrai zum Dreieck 67-68-70 Oph, von dort nach N zu 66 Oph, dann nur noch ¾° nach NW. Man braucht schon eine gute Karte bis 10...12mag (empfehlenswert wie immer eigentlich: Notebook mit Sternkartenprogramm) um ihn erfolgreich zu identifizieren (siehe unten ;-), er hat nur 9.5Vmag Helligkeit, braucht also i.a. mindestens ein (kleines) Teleskop zur Sichtung. Barnard's star fliegt tangential (am Himmel) mit 10.3"/Jahr nach Norden (in +δ Richtung, und 0.8"/Jahr in -α Richtung nach Westen, d.h. grob vernachlässigbar, Faktor 10x geringer als in α). Die beiden 7-8mag Sterne HIP 87860 und HIP 87901 (9' Distanz) pointen bereits grob auf ihn, aber eben noch nicht genau (Barnard steht noch ca 80" südlich der Linie). Als ich zur Kontrolle Guide um ΔT = 10 Jahre vorstelle auf 2033, liegt der Pfeilstern tatsächlich (recht) GENAU auf ihrer Verbindungslinie ! 1. Schlussfolgerung: Guide ist ein tolles Programm, das sogar die Eigenbewegung dieses Sterns live kalkuliert - wow ! 2. Schlussfolgerung: man wird prima verfolgen können, wie er fliegt...! Nein, wie alle anderen Sterne eben auch, er ist kein FIX-Stern, wie die Alten noch glaubten.

Der legendäre Astrometrie-Satellit Hipparcos (HIP 87937, Guide hat noch keine GAIA Daten) hat Barnard's Stern schon vermessen auf eine Parallaxe von 548 milli-arcsec, was den Stern in eine Entferung von 1.82pc = 5.95ly bringt. Das ist wirklich SEHR nah zu uns ! (man muss den OAZ doch tatsächlich ein kleines bisschen rausdrehen, wenn man genau kollimiert hat und drauf achtet... :-). Der noch legendärere Astrometrie-Satellit GAIA hat den Stern natürlich auch (noch weit genauer) vermessen, mit der Identifikation (etwas unhandlich, aber dennoch) DR3 4472832130942575872.

Ich versuche am Teleskop noch mit höherer Vergrösserung, die stark rote Farbe von 'Barnard' zu sehen. Aber ich habe heute nur ein 8" Teleskop UND es ist einfach noch zu hell am Himmel - das ist Pech ! (mit 20" hatte ich ihn bereits 2008 deutlich rot gesehen). Sein Farbindex ist B-V = 1.57mag, d.h. er emittiert 4x weniger Licht am blauen Ende (relativ zum visuellen) als Wega (B-V = 0mag). Der Pfeilstern ist also ein sehr später, roter Stern, Spektraltyp ist M4 - Oh, be a fine girl kiss me - ganz schön weit am Ende der spektralen Klassifikations-Skala. Wenn man weiss, was das Hertzsprung-Russel-Diagramm bedeutet, dann sagt einem das auch (i) der Pfeilstern hat recht geringe Leuchtkraft Mv=+13.2mag - das ist nichteinmal einem Tausendstel der Sonne (Mv=+4.8mag), und (ii) ist ein Stern sehr geringer Masse (M Dwarf). Wir sehen Barnard's Stern also nur wegen seiner exceptionellen Nähe zur Sonne, in grösserer Entfernung sind diese Sterne für uns 'so gut wie unsichtbar' ! Dennoch sind M-Dwarfs - völlig gegen den ersten Anschein - erstaunlich interessante Sterne von der Astrophysik her. Und es gibt VIELE davon... Das alles reicht für einen ganzen Artikel NUR über Barnard's Pfeilstern - vielleicht demnächst mal.

Nun ab dafür - und hier die Karte für's Nachbeobachten:


Barnard's Star im Ophiuchus (Schulter-Gebiet)
(Position berechnet für 2023, Eigenbewegung 10"/Jahr nach Norden)
© Guide 9.1



(2) Supernova 2023ixf   in M101 (SN, UMa)

#2023ixf #m101

XRef
           
Bereits im BB vom 4.6.23 hatte ich über eine Beobachtungen der M101 Supernova berichtet, allerdings unter widrigsten Umständen in downtown-HD. Jetzt um 23:20 zeigt das SQM-L zumindest mal 20.95mpsas. Also mal sehen wie's der Supernova so geht, die selbstgemachte Karte vom letzten Mal wird elektrisch hervorgekramt. Die Galaxie am jetzt passablen Schwarzwaldhimmel easy eingestellt - da ist M101 !




Gebiet um M101 - mit Aufsuchhilfen + Vergleichssternen
Feldgrösse 60' x 100', © STScI Digitized Sky Survey
Bild ohne Markup


Im 31mm/29x Okular ist M101 schon zu sehen, schwächlich (wie immer), aber die diffuse Sc Scheibe ist eben doch sichtbar. Am besten funktioniert diesmal die SN Aufsuchung mit der 2/3 - 1/3 Verbindung von TYC38521108 zu HIP68621. Die M101 Scheibe und der Kern sind im 20mm/45x passabel zu sehen, die Arme sind bestenfalls angedeutet, die SN ist direkt zu sehen. Für die SN im Detail brauche ich noch etwas mehr Vergösserung, das drückt relativ zu den Sternen den Himmelshintergrund runter, also 13mm/69x, dann doch noch 9mm/100x.

Der (eher hemdsärmelige) Vergleich mit den Umgebungs-Sternen ergibt:
  - 12.42 Stern leicht heller als SN → SN = 12.6mag
  - 13.07 Stern etwas dunkler als SN → SN = 12.7mag
  - 11.48 Stern recht deutlich heller als SN → SN = 12.2mag (unsicher, weil weiter Helligkeitsabstand)
  - Julianisches Datum ist gerade: JD = 2460136.47222
  - Himmelshelligkeit/Transparenz: 20.95mpsas / etwas erhöhte Absorption !

Was mich grob auf eine geschätzte V-Helligkeit von 12.5Vmag bringt heute. Die AAVSO Werte (Kennung 'SN 2023ixf' eingeben) liegen allerdings immer noch merkbar höher bei AAVSO Messwerten von 12.2Vmag. Ob meine Vergleichssterne wirklich gut geeignet sind im spektralen Vergleich ? Am leichten Hochschleier könnte die Diskrepanz nur liegen, wenn meine Sterne relativ gesehen weniger geschwächt werden als die SN (unterschiedliche Spektren, Absorptions-Koffizient ist λ-abhängig). Vielleicht hätte ich mir auch einfach mehr Mühe mit dem Schätzen geben müssen... :-) so what !? Aber: jedenfalls ist es erstaunlich, wie hoch die Helligkeit immer noch ist. Die Beobachtung mit 8" kann man immer noch als problemlos bezeichnen, wenn man einigermassen passablen Himmel hat.

Etwas später in der Nacht - mit Himmel bei SQM = 21.3mpsas - kehre ich auch nochmal zu M101 zurück. Die M101 Scheibe und der Kern sind jetzt doch noch klarer zu sehen, die Arme sind (indirekt) zu sehen (toll sind sie bei M101 eigentlich ja nie ;-). Aber wirklich schön, die Supernova nochmal im Kontext ihrer gesamten Hostgalaxie sehen zu können !

Zu ausführlichen Background Infos zur Supernova verweise ich auf meinen Bericht vom 4.6.23.


(3) Komet C/2023 E1 (ATLAS)   (SOL, UMi)

#comet2023e1

XRef
           
Seit einiger Zeit gibt es Berichte von C/2023 E1 (ATLAS) in den Foren. Guide sagt mir (nach MPCORB Bahnelemente-Update), dass der Komet supereinfach in Kleinen Wagen (UMi) zu sehen ist, sogar zirkumpolar bei δ>80° ! Guide behauptet eine Helligkeit von 14.5mag, aber tatsächlich ist er viel heller, wie die vielen doch einfachen Sichtungen der Kollegen belegen. Man spricht von etwa 9mag, was grob hinkommen sollte. In jedem Fall kein Problem in 8", der Himmel ist jetzt um 23:45 bei 21.3mpsas angekommen, also eigentlich ganz gute Bedigungen für die Kometenjagd (wenn auch nicht auf Schwarzwälder Normniveau). Wie sich aus dem Orbitverlauf (s.u.) zeigt, durchläuft C/2023 E1 im Moment sein Perihel !

Zur Beobachtung: Von ε UMi ist es nur ein 1.5° Starhop zum Komet. Schon im 31mm/29x sieht man ihn, in 20mm/45x schon sehr gut. Bei noch etwas mehr Vergrösserung 9mm/100x/50' Feld meine ich öfter mal einen Querbalken (O-W orientiert) im Kern zu sehen, allerdings nur manchmal und sprunghaft (was für Einbildung spricht, aber evtl auch durch schwache Sterne in der O-W Umgebung hervorgerufen sein könnte). Einen Schweif sehe ich auch nicht, die Koma ist weitgehend rund. Der dichtere Teil der Koma im Bereich von ≥3' ∅ (Vergleich mit Sterndistanzen in der Nähe).

Schön wiedermal einen - wirklich bequem gelegenen - Kometen am Himmel zu sehen !

Auf der Seite der FG Kometen der VdS findet man für den 10.7. auch dieses Bild von Klemens Waldhör, wo auch keinerlei visuell relevante Details zu sehen sind (der Hauch von Schweif ist visuell sicher nicht detektierbar in 8").

Weitere Infos & Diskussionen findet man auch im VdS Forum - Kometen, spezifisch auch dieser C/2023 E1 thread.




Aufsuchkarte von C/2023 E1 (ATLAS) für die Beobachtungszeit heute
(Darstellung für die Beobachtung Alt/Az und kopfstehend)
© Guide 9.1

Von der Seite des JPL (CalTech) hier der Orbit Viewer. Hieraus kann man folgende Orbitalelemente für den Kometen entnehmen:

  - Umlaufszeit = 85 yr
  - Perihel-Distanz q = 1.03 AE
  - Aphel-Distanz Q = 37.7 AE
  - Inklination zur Ekliptik i = 38.3° AE
  - Perihel-Passage am 2023-Jul-01.10702747

Die Aphel-Distanz reicht also (die Inklination aussen vor gelassen) bis hinaus 7AE jenseits der Neptunbahn. Und tatsächlich wurde das Perihel bei ca 1AE gerade vor 9 Tagen durchlaufen ! Hier der Orbit von C/2023 E1 aus dem JPL-SSD viewer:


Orbit für C/2023 E1 (ATLAS)
© Courtesy NASA/JPL-Caltech (JPL image policy)



(4) Die Kugelsternhaufen des Ophiuchus   (GC, Oph)

#gc_oph #m10 #m12 #m14 #ngc6402 #ngc6218 #ngc6254

XRef
           
Der Ophiuchus ist bekannt für seine Kugelsternhaufen - ich scanne heute aber nur die 3 hellsten Objekte im Inneren des Oph-Kreises: M10, M12, M14 - mehr Zeit bleibt mir einfach nicht mehr bis Mondaufgang. Es ist 0:08, das SQM zieht 21.45mpsas, damit dürfte das Maximum an Himmelsqualität heute erreicht sein - denn: in 1h geht der Mond auf !

Rechtzeitig hierzu zieht noch die ISS steil über uns hinüber. Ich schaue mit dem 20mm/45x ihr nach, erwische sie auch manchmal und sehe eine dreieckige Form, jedoch nicht wirklich aufgelöst die Solarpaneele wie im 20" (BB vom nn.nn.nnnn). Naja, Satelliten habe ich heute wirklich genug gesehen ! (Fast) In jedem Okular-Gesichtsfeld sehe ich heute Satelliten, ist nicht mehr normal das ! Doch zurück zum eigentlichen...

Für die Starhops ist es günstig, dass M10/M12 nahe beeinaner liegen (3 ° Distanz, Start von λ Oph). M14 liegt ungünstiger, etwa 7° südlich der Oph-Schulter. Am besten geht ein 6° Schwenk von ζ Oph nach Westen.

- M14 (NGC6402) - mit ihm fange ich an. Er ist mit 7.6mag der schwächste der drei GCs. Am Anfang scheint der Rand aufgelöst zu sein, jedoch zweifele ich bei höherer Vergrösserung wieder daran. Jedenfalls sehe ich keine hellen Einzel-Sterne (wie etwa bei M13). Irgendwo (Seite von Steeve Gottlieb ?) habe ich gelesen, dass die Region stark von Staub geschwächt wird, das klingt tatsächlich plausibel beim Anblick von M14 ! Wenn man das DSS Bild unten ansieht kann aber auch anführen, dass M14 relativ konznetriert wirkt, und der Halo schon daher nicht so leicht in Sterne aufzulösen sein wird...
- M12 (NGC6218) meint es schon besser mit mir (6.1mag), er erscheint mir auch vom Durchmesser her grösser, auch etwas aufgelöst im Zentrum, einige Einzelsterne blitzen immer wieder auf. Im Halo gibt es aufgelöste Sterne. Auf dem DSS Bild wirkt er 'aufgelöster' (Helligkeitsprofil ist flacher).
- M10 (NGC6254) schliesslich ist wirklich aufgelöst - auch im Kern - und macht annähernd einen M13-artigen Eindruck (6.6mag), individuelle Einzelsterne sind hier viele zu sehen. Auf dem DSS Bild wirkt er am grössten und am meisten 'aufgelöst' (weitestes Helligkeitsprofil).
Ich springe nochmal zum CrossCheck zurück zu M14: er ist wirklich markant schwächer und wirkt auch kleiner.

Unter den DSS Bildern habe ich mal die Colour-Magnitude Diagrams (CMD) dieser Cluster aus der Literatur rausgesucht: Rosenberg et al. (2000) und Contreras et al. (2013). Das CMD ist das Hertzsprung-Russel-Diagramm HRD (Leuchtkraft, Temperatur) in beobachterischen Parametern (Helligkeit, Farbe). Interessant sind hier lediglich die V mag auf der y-Achse (Grafiken sind auf gleiche Höhe der V-Werte zueinander nivelliert). Dort sieht man zu welchen V Maximalhelligkeiten oben die Riesenäste des jeweiligen GC hinaufreichen. Es ist deutlich, dass M14 etwa 2mag dunkler populiert ist in der Spitze, daher das schwächere Aussehen (keine hellen Sterne) im Teleskop ! Ausserdem habe ich mit SIMBAD die Parallaxen der GCs in [mas] herausgefunden und die Entfernungen in [kpc] ausgerechnet: sie liegen für M10 bei 5.10kpc, M12 bei 4.81kpc und M14 bei 7.75kpc (galaktisches Zentrum bei 8.2kpc). M14 ist also deutlich weiter entfernt als die beiden anderen Cluster, 7.75kpc/5kpc = 1.55x weiter. Die Sternhelligkeiten gehen also um 1.552 runter, also um 2.5 · log(1.552) = 0.95mag. Weil ansonsten ähnliche Sterne in allen Haufen etwa gleiche Helligkeiten besitzen, fehlt uns also immer noch die Erklärung für Δ = 1mag zu schwache Sternhelligkeiten in M14. Daher wohl das Argument, dass M14 von Staub geschwächt wird ! (Genaueres müsste man noch in der Literatur herausfinden).

Kugelsternhaufen sind astrophysikalisch interessant, werden meist als die ältesten Objekte von Galaxien gehandelt (alt und also metallarm). Ausserdem sind sie Halo-Objekte, gehorchen also einer im Wesentlichen kugelsymmetrischen Verteilung mit Konzentration zum galaktischen Zentrum (das wie wir wissen gerade mal nebenan (30° südlich) liegt von Ophiuchus !). Ebenso die Stellardynamik: GC-Bahnen sind i.A. nicht rotations-gestützt (folgen also nicht der Scheibenrotation der Hostgalaxie), sondern haben eher radiale Bahnen mit geringem Drehimpuls. D.h. sie passieren den MW-Bulge und -Kern (in gewissen Entfernungen) und schwingen durchs galaktische Potential (Minimum nahe dem galaktischen Zentrum) wieder nach draussen in den äusseren Halo. Man muss bedenken, dass die Bahnen von Sternen und auch Kugelsternhaufen im galaktischen Potential KEINE Keplerbahnen sind (diese gelten nur für reine Punktmassen mit 1/r Potential, wie näherungsweise im Fall des Sonnensystems mit der Sonne als Zentrum, eine Scheibengalaxie wie die Milchstrasse ist aus Sicht eines Kugelsternhaufens aber keine 'Punktmasse' !).

Wenn man sich den Vortrag von Matthias Kronberger am DSM 2023 anschaut, hat man jedoch einige Zweifel ob GCs tatsächlich die langweiligen, steinalten Relikte sind, wie sie klassisch eingeordnet werden. Merger haben der Milchstrasse anscheinend noch weitere Kugelsternhaufen eingebracht. Ist sehr interessant, aber: hierzu muss ich aber erst noch einiges an Literatur lesen... (seit dem DSM schon ein pending project :-)


M10, M12, M14   (alle 30'x30' Feld)
© STScI Digitized Sky Survey



Color-Magnitude diagrams von M10, M12, M14
aus Rosenberg et al. 2000, AAS 145,451 und Contreras et al. 2013, AJ 146,57
© by Astronomy&Astrophysics Supplement Series and Astronomical Journal

(5) M11 und Schildwolke   (OC, Sct)

#m11 #ngc6705

XRef
           
M11 ist ein schöner Sternhaufen. Ich bin kein Fan von Sternhaufen, wahrlich nicht, aber M11 ist schön, das muss man sagen ! ;-) Er ist leicht zu finden im Süden, easy in den Schwanzfedern des Adler - in der Verlängerung von λ - 12 - η Aql. Aussenrum die Schildwolke, eine der hellsten Milchstrassenregionen, die man von unseren mittleren nördlichen Breiten aus sehen kann. In der Mitte von M11 der 8.5mag Stern HIP 92507, aussenrum die vielen Sterne des Clusters - in einer aufgelockerten, sternartigen Form angeordnet. Man könnte fast sagen, ich mag M11 - obwohl mir derart Gefühlsduselei mit Color-Magnitude-Diagram im Kopf völlig abgeht... :-)

Die Schildwolke selbst finde ich fast noch phänomenaler. Wenn man in Guide die Grenzgrösse hochdreht, sieht man sie schon auf der Karte. Insbesondere der westliche Rand ist relativ scharfkantig begrenzt durch eine Dunkelwolke. In der Realität versuche ich es mit 31mm/29x/2.8°, dann 20mm/45x/1.8° (wegen AP=5mm etwas besserer Kontrast zum Himmel). Entlang der Sternkette, die diagonal nach SW auf α Sct zuläuft wird es immer dunkler. Um α herum ist es vergleichsweise sternenleer ! Durch Field Sweeping Ost-West über die Kante hinweg wird der Unterschied besonders deutlich, aber auch statisch ist der Unterschied innerhalb der Wolke und ausserhalb (in der Karte sind auch Dichtekontouren eingezeichnet) ziemlich krass. Im Süden findet man auch den OC M26, aber im direkten Vergleich zu M11 ist der natürlich schwächlich. Aber hier geht es nicht um konkrete Objekte, der Eindruck der Milchstrassenwolke als solche, das ist es !

Wir gehen langsam auf Mondaufgang zu. Der Himmel wird merklich schlechter. Um 2:00 sind es noch 21.1mpsas (von vormals 21.35mpsas und besser). Man kann jetzt zusehen wie es heller wird. Zeit, den OIII Filter zu benutzen und Gasnebel zu beobachten. Und die Richtung von der Schildwolke abwärts stimmt ja...


M11 in der Schild-Wolke   (60'x60' Feld)
© STScI Digitized Sky Survey



Gebiet von südlichem Adler und Schildwolke
Darstellung mit Grenzgrösse um 14mag, inkl. Dichtekontouren der Milchstrasse
© Guide 9.1


(6) Die Gasnebel südlich der Schildwolke   (BN, Sgr)

#gas #m16 #m17 #m20 #m8

XRef
           
Der Linie β - γ Sct folgend geht es jetzt gen Süden. OIII Filter ist eingeschraubt, im Wechsel immer mit dem 31mm oder 20mm Okular. M16 und M17 sieht man sofort, auch schon im Feldstecher. Im Teleskop erinnern mich die Formen an die Anblicke in 20". Die (relativ verborgenen) Säulen der Schöpfung (M16) und der schwimmende Schwan (M17) - letzterer sogar mit Heckwelle (im Osten) !

Zu M20 geht's nochmal einen weiteren Rutsch von 8° abwärts gen Süden. Zunächst glaube ich, das ist zu tief - da stehen Bäume ! Aber mit Feldstecher sehe ich dann doch M20 neben den Bäumen, die 70m entfernt hier meinen Horizont bilden. Ha ! Neben den Baumwipfeln sehe ich auch im Teleskop die Lagune M20 (toll der Sternhaufen jenseits des Dunkelbandes !) und auch Trifid M8 (nicht perfekt wie im 20", aber deutlich genug).

Resümee:   All das geht also völlig einwandfrei mit 8" !



M16, M17, M20, M8   (alle 60'x60' Feld)
© STScI Digitized Sky Survey



(7) Und der ganze Rest...

#rest

Ein paar Rausschmeisser noch, als der Mond sich nun gar zu sehr aufdrängt:

  - Meine Frau schaut nach mir und will auch den Saturn sehen, also Saturn (mit recht flachem Ringsystem und Titan, ganz tief im SO), Cirrus + sogar der Komet auf dem Silbertablett :-)
  - 'Endlich' (im Sinn von 'schliesslich' !) dann: Halbmond-Aufgang zwischen den Bäumen im Osten
  - Ein bisschen Experimentelles mit 8x42 Feldstecher und OIII Filter: Nordamerika und Cirrus
  - An Barnard's Dunkelnebel B142 in Aql ist nichts mehr zu machen mit Mond, Dunkel-nebel brauchen Dunkel-heit

Der Himmel ist jetzt fast zum Zeitunglesen hell geworden - time to go to bed !


Final Notes

#fn

© eyes4skies     03.08.2023     initial: 12.07.2023     Impressum