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Curriculum   -   Magnitudes



Simulation erhöhter Himmelshelligkeit bei M101
Bilder wurden auf subjektiv (!) gleiche Himmelshelligkeit normiert (Adaption)
Feld 30'x30', Bild aus DSS, © Digitized Sky Survey

Magnituden

  1. Gut zu wissen:
    Magnituden M werden in der Astronomie an ALLEN Ecken und Enden benutzt. Es lohnt sich absolut, sich detailliert klar zu machen, was sie bedeuten und wie man sie benutzt. Am besten auch selbst einige Beispiele durchrechnen ! Magnituden m sind logarithmische Einheiten. Im Gegensatz dazu sind lineare Flusseinheiten F so etwas wie auf dem CCD gezählte Photonen (oder Photonen/sec/m2). Wie beide zusammenhängen, s.u....

    Gültigkeitsbereich:
    Alle Erläuterungen gelten - vereinfachend - für den nicht-relativistischen Fall d.h. in unserer kosmischen 'Nachbarschaft'. Dies entspricht Fluchtgeschwindigkeiten von max 0.1 c, also Distanzen von max etwa 400 Mpc. Praktisch alle visuell erreichbaren Objekte (ausser Quasaren !) befinden sich innerhalb dieser Limits.

  2. Magnituden in der Praxis
    - Der (sehr helle) Stern Wega = α Lyrae ist der Nullpunkt der Magnitudenzählung. Er wird (in allen Wellenlängenbereichen) auf die Magnitude m = 0 mag gesetzt. (Im Detail wird die Eichung heute auf anderem Wege erreicht, aber als grober Anhalt ist Wega doch hilfreich)
    - Historisch wurden die hellsten Sterne als 1. Grössenklasse (=Magnitude) bezeichnet, die schwächsten als 6. Grössenklasse. Heute ist das jedoch physikalisch genauer + exakt gefasst.
    - Mit blossem Auge kann man Sterne bis ca 6mag wahrnehmen. Ein Feldstecher reicht bis ca 9...10mag. Ein 10" Teleskop reicht bis ca 15mag.
    - Der Standard-A0-Stern Wega ist 0mag hell. Der hellste Stern am Himmel Sirius = α CMa erreicht -1.1mag; der hellste Planet Venus -4.3mag, der Mond etwa -12mag; die Sonne etwa -27mag. Diese Werte sind die sog. scheinbaren Helligkeiten der Objekte für uns auf der Erde (d.h. in einer gewissen Distanz zu dem spezifischen Objekt).

    - Man kann Flüsse (= Photonenzahl/sec/m2) und Magnituden in verschiedenen Wellenlängenbereichen (sog. Filterbändern) messen. ,Es gibt z.B. das Filtersystem UBV von Johnson, oder UBVRI nach Johnson-Kron-Cousins. Die entsprechenden Magnituden-Werte sind natürlich i.a. verschieden. Magnituden im visuellen Bereich (Vmag) sind NICHT identisch mit den Werten im blauvioletten Bereich (Bmag) etc.
    - Magnituden in einem Filterband (z.B. Vmag) werden *NICHT* als Farben bezeichnet und sind auch keine 'Farben'. Es sind lediglich die Werte bezogen auf einen gewissen Spektralbereich (Filterbereich, Filterband).
    - ABER: Die Differenz von Magnitudenwerten, z.B. in B und V, also (mB - mV) nennt man die B-V Farbe. Ein solcher sog. Farb-Index wird immer blau - rot gebildet, damit signalisieren 'höhere Farbwerte' dann immer 'rötere Farbe'. Sehr blaue Sterne hätten ein niedriges B-V = -0.5mag, besonders rote Sterne dagegen B-V = +1.5mag. (Der Spektraltyp A0, defniert durch) Wega besitzt per Definition den Wert (B-V) = 0mag.

  3. Magnituden mathematisch
    - Weil menschliche Sinnesempfindungen logarithmisch funktionieren (
    Weber-Fechner-Gesetz), werden auch die Helligkeiten von Sternen logarithmisch angegeben, d.h. die gezählten Photonen werden logarithmiert. (Ausserdem wird noch ein sog. Zeropoint = Nullpunkt angebracht, aber dazu später bei der 'Eichung' von Magnituden).

    - Es gilt wie mathematisch bekannt: log(10) = 1, log(100) = 2, log(1000) = 3, usw.   Und: log(1) = 0, log(0.1) = -1, log(0.01) = -2, usw.
    - Magnituden m sind nichts anderes als die Logarithmen des Helligkeitswerts F (z.B. Fluss in gezählten Photonen/sec) mit -2.5 malgenommen: m = -2.5 log(F). Also: je höher der Fluss F, desto kleiner die Magnitudenzahl.
    Beispiel: F=1000, m= -2.5 x log(1000) = -2.5 x 3 = -7.5

    - Wird ein Helligkeitswert F1 mit einer Zahl α multipliziert, so funktioniert das in Magnituden so: F2 = α · F1 - dann wird daraus m2 = -2.5 log(α) + (-2.5 log(F1)) = mα + m1. D.h. es werden einfach nur die jeweiligen Magnituden addiert - aus Multiplikation wird durch Logarithmierung einfach nur Addition.
    Beispiel: F1=100, α=0.1 , m2 = -5 + (-2.5 x -1) = -2.5.
    - Die Umkehrung von Magnituden in Flüsse (Photonenzahlen) geht so: F = 10**( m/(-2.5) )
    Beispiel: Stern mit 5mag → F= 10**(5/-2.5) = 10**(-2) = 0.01

    - Das mag alles kompliziert erscheinen, besonders wegen des lästigen Minus-Vorzeichens. ABER es gibt eine sehr einfache Merkregel: Wenn etwas heller wird, dann muss die Mag-Zahl kleiner werden. Wenn etwas dunkler wird, dann muss die Mag-Zahl grösser werden. Damit bekommt man also sehr einfach und intuitiv das richtige VORZEICHEN der Änderung heraus. Den genauen WERT der änderung (addierte Zahl) selbst muss man natürlich mit 2.5 log(F) ausrechnen.

    - Interessant zu bemerken ist noch, dass für sehr kleine Differenzen in Mag für den Fluss folgendes gilt: 0.1mag entsprechen 0.1=10%→1.1x in F, 0.01mag entsprechen 0.01=1%→1.01x in F. Dies gilt bis ca 0.3mag. Danach wird die Näherung schlecht, und man muss die volle Formel mit 2.5 log(F) ausrechnen: 2.5 log(1.5) = 0.44 (nicht 0.50). Aber 2.5 log(1.1) = 0.10348 (Näherung stimmt gut = 0.1).
    Beispiel: Eine Feldabschattung von 20% am Rand eines Okulars (z.B. zu kleiner Fangspiegel) bewirkt eine Abschwächung der Sterne dort um 0.20mag (visuell kaum bemerkbar).

  4. Magnituden und Entfernung
    - Sternenlicht wird mit der Entfernung quadratisch schwächer. (Das liegt einfach daran, dass sich die Photonen eines Sterns im Raum kugelförmig ausbreiten und die Fläche einer Kugel einfach quadratisch mit dem Radius wächst.) D.h. nimmt die Entfernung des Sterns (Kugeldurchmesser) um einen Faktor 10x zu, dann fällt der Fluss (Photonen/sec/m2) auf einem Quadratmeter dieser Kugel um einen Faktor 10**2 = 100x. Ein Teleskop mit einer Auffangfläche von 1 m2 empfängt also nur 1/100 der Photonen. D.h. Für jeden Faktor 10 der Entfernung (zum Stern) steigt die Magnitude des Sterns um 2.5 log(10**2) = +5mag.

    - Um daher die physikalische Leuchtkraft (ausgestrahlte Gesamtenergie/sec) verschiedener Sterne vergleichen zu können, setzt man sie gedanklich in eine Standardentfernung von 10pc = 32.6 Lichtjahren. Die Leuchtkraft (oder 'Absoluthelligkeit') wird dann in sog. Absoluten Magnituden M angegeben. Als Zeichen für absolute Magnituden werden die Variablen immer mit Grossbuchstaben geschrieben, also z.B. V = +5mag (Absoluthelligkeit in Standardentfernung 10pc), aber v = -27mag für die scheinbare Helligkeit in der gegebenen, realen Entfernung zum Objekt.
    - Die Sonne hat eine (für uns) scheinbare Helligkeit am Himmel von ca m= -27mag. Ihre Absoluthelligkeit ist jedoch nur ca M= +5mag.
    - Der Stern α Cygni = Deneb hat (recht hohe) scheinbare Helligkeit von m=1.33mag. Seine Absoluthelligkeit ist jedoch sogar M= -7mag.
    - Deneb ist also (von seiner Leuchtkraft her) absolut gesehen 5+7 = 12mag heller als die Sonne. D.h. er emmitiert 10**(12/2.5)= 10**4.8 = 63000x soviel Energie wie unsere Sonne.
    - Wega hat - bei einer scheinbaren Helligkeit von m = 0mag - eine Absoluthelligkeit von M = +0.60mag und steht in einer Entfernung von 7.7pc.
    - Die hellsten Sterne bewegen sich im Bereich bis M = -8mag, die schwächsten Sterne bei unter M = +10mag.
    - Man beachte, dass auch Absoluthelligkeiten in Filterbändern gemessen werden. Möchte man die ausgestrahlte Gesamtenergie/sec integriert über alle Wellenlängen bemessen, so gibt man die sog. bolometrische (Absolut-) Helligkeit an: Mbol

    - Als magnituden-angepasstes Synonym für die Entfernung eines Objekts kann man daher seine (Magnituden) Differenz (m-M) (wird so in Klammern geschrieben, sog. Entfernungsmodul) benutzen. Ein Stern mit (m-M) = 0 steht per def in 10pc Standard-Entfernung. Ein Stern mit (m-M) = 5mag steht in 10x höherer Entfernung, nämlich 100pc.
    - Hat man die Absoluthelligkeit, so kann man mithilfe des Entfernungsmoduls einfach die scheinbare Helligkeit ausrechnen. Ebenso umgekehrt: aus der scheinbaren Helligkeit die Absoluthelligkeit M (entsprechend der physikalischen Leuchtkraft).
    - Beispiel: Der Entfernungsmodul der Andromeda-Galaxie M31 (700kpc = 2.1 Mio Lichtjahre entfernt) ist etwa (m-M) = 24mag. D.h. unsere Sonne hätte in M31 nur eine Helligkeit von m = (m-M) + M_sonne = 24mag + 5mag = 29mag. Selbst das Hubble-Teleskop könnte die Sonne in M31 nicht sehen (Hubble's Limit liegt bei ca 28mag). Deneb jedoch wäre in M31 jedoch 12mag heller, also 17mag. In einem 20" Teleskop wäre er für uns also - selbst in der riesigen Entfernung von M31 - gerade noch sichtbar, einen 20"er vorausgesetzt.
    - Formeltechnisch kann den Entfernungsmodul auch direkt aus der Entfernung r ausrechnen mit: (m - M) = 5mag · log (r / 10pc).

  5. Flächenhelligkeiten
    - Ist ein Objekt flächenhaft (und nicht sternförmig), dann verteils sich sein Gesamtfluss auf eine Fläche am Himmel. Die Fläche wird in [arcsec x arcsec] = [arcsec2] gemessen. Also werden Flächenhelligkeiten (FH) in Photonen/arcsec2 oder mag/arcsec2 gemessen (weitere Abkürzungen: mag/sq.arcsec, mpsas = mag per square arcsec).
    - Bei FH kommt die Faktoren-Regel von oben zum Einsatz: Ein flächiges Objekt mit Gesamthelligkeit 5mag, das jedoch über 100 x 100 arcsec2 verteilt ist, hat eine FH = (5mag + 2.5log(10000))/arcsec2 = 15 mag/arcsec2. Dieser Wert schätzt realistischer ein wie gut ein Objekt sichtbar ist, als der reine integrierte Wert.
    - Die FH Werte sind zu vergleichen mit der Helligkeit des Himmelshintergrundes. Dieser hängt von der Lichtverschmutzung, der Höhenlage und anderen Faktoren ab. Die dunkelsten Himmel auf der Erde besitzen (bestenfalls) 22.0 mag/arcsec2. Dunklere Himmel kommen aufgrund des Airglows nicht vor. Typische Himmelshelligkeiten liegen (unter 'guten' Bedingungen) im Bereich 20.5 - 21.5 /arcsec2.
    - Ein Objekt mit 15 mag/arcsec2 ist - wie oben erläutert - also 6mag heller im Kontrast zum Himmelshintergrund. D.h. der Kontrast ist 10**(6/2.5) = 250 : 1 zum Himmel. Dies ist deutlich zu sehen. Galaxien können jedoch sehr wohl deutlich weniger Kontrast zum Himmel besitzen, und sind damit schwerer visuell erkennbar.
    - Hieraus wird auch klar, dass die Erkennung schwacher FH immer möglichst dunklen Himmel erfordert, weil hiermit der visuell wahrnehmbare Kontrast Objekt : Himmel steigt.
    - Dennoch kann man - mit zunehmender Schwierigkeit allerdings - auch Objekte sehen, deren FH unter der Himmelshelligkeit liegt. Hierzu zählen z.B. schwache Zwerggalaxien in der Lokalen Gruppe. Hierbei ist maximal dunkler Himmel essentiell.

  6. Flächenhelligkeiten und Entfernung
    - Flächenhelligkeit bleibt mit der Entfernung konstant, weil die Fläche des Objekts im gleichen Maße kleiner wird, wie der Fluss vom Objekt abnimmt - beides quadratisch mit der Entfernung.
    - Beispiel: Die Distanz eines Objekts mit FH = 10mag/sq.arcsec wird um Faktor 10x vergössert. Sein Durchmesser am Himmel verkleinert sich damit um Faktor 10x, seine Fläche also um Faktor 100x. Seine FH steigt also zunächst um 5mag (wegen der kleineren Fläche). Jedoch schwächt sich auch das Licht wegen der 10x höheren Entfernung um Faktor 100x ab, also um 5mag. Die FH bleibt also nach wie vor konstant bei 10-5+5 mag/sq.arcsec = 10mag/sq.arcsec.

  7. Schwächung von Magnituden durch Atmosphärische Extinktion
    - Für die genaue, scheinbare Helligkeit von Objekten ist auch die Transparenz der Atmosphäre von Bedeutung (Wetter, Höhenlage, Luftfeuchtigkeit, Luftverschmutzung). Je nach Extinktion-Koeffizienten κ der Atmosphäre wird die Helligkeit durch die Luft abgeschwächt, im Visuellen im Zenit typisch um κv=0.2mag (0.15...0.30 je nach Qualität des Standorts).
    - Ausserdem werden die Objekte auch stärker geschwächt je geringer ihre Elevation (= Horizonthöhe h) ist. Die Abschwächung berechnet sich nach der sog. Luftmasse LM, die die Menge an (vom Lichtstrahl) durchquerter Luft bemisst. Es gilt LM = cosec(z) = 1/cos(z) (Zenitdistanz z = 90° - h).
    - Die Abschwächung eines Objekts im Visuellen bei Luftmasse LM ist dann: Av = κv · LM
    - Beispiel: bei Zenitdistanz = 60° (Elevation h= 30°): LM = 2. Dann ist die Abschwächung des Objekts im Visuellen: Av = κv * LM = 0.2 * 2 = 0.4mag. Da wir einen relativ niedrigen Extinktions-Koeffizienten von 0.2mag hier angenommen haben, ist dieser Wert für z=60° Zenitdistanz also Elevation h = 30° sogar relativ optimistisch ! Also gehen beim typischen Beobachten am Himmel bis zu etwa Av = 0.4mag ≈ 40% der Photonen verloren. Im Zenit sind es auch bereits Av = κv = 0.2mag, also 20% der Photonen.

  8. Magnituden eichen
    - Die oben ausgerechneten Magnituden und Flusseinheiten sind tatsächlich NICHT direkt die geeichten Werte von Sternen. Geeichte Werte werden vielmehr wie folgt hergestellt (vereinfacht):

    - Auf einem CCD-Bild wird die Anzahl der Elektronen gezählt, die die Photonen eines Stern auf dem Chip erzeugt haben (gesamtes Stern-Bild). (Genauer: die Photonen die der Himmel erzeugt hat, müssen natürlich hierbei abgezogen werden !)
    - Um geeichte Werte zu bekommen, beobachtet man in der gleichen Nacht und mit dem identischen (!) Setup (Teleskop, CCD, Flatfield, Filter) noch eine Eichquelle (sog. Standardstern). Eichquellen besitzen eine bekannte, aufwendig geeichte Magnitude m_0 (und werden der Literatur entnommen).
    - Man beobachtet die Eichquelle und macht aus den CCD-Zählwerten N Magnituden m = -2.5log (N). Dann bildet man die Differenz ZP = m - m_0, den sogenannten Zeropoint.
    - Der ZP wird danach auf die Mag-Werte meines eigentlichen Beobachtungs-Objekts aufaddiert, und damit erhält man geeichte Magnituden für das interessierende Objekt.

    - Dies ist nur sehr vereinfacht dargestellt ! Tatsächlich muss für eine gute Eichung (Genauigkeit im Bereich von 1% = 0.01mag) wesentlich mehr Aufwand getrieben werden: u.a. Messungen bei verschiedenen sog. 'Luftmassen' = Horizonthöhen, Bestimmung von Farbabhängigkeiten, Bestimmung von Extinktionskoeffizienten, mehrere Eichsterne, keinerlei änderungen der Durchsicht, sog. photometrisches Wetter etc.




© eyes4skies     03.08.2023     initial: 13.06.2023     Impressum