Beobachtungen
Erste Nacht (HEHO)
Als wir am HEHO ankommen (21:15h) ist es schon recht dunkel, nur noch 15min astronomische Dämmerung.
Die Milchstrasse ist schon jetzt sehr gut zu sehen - u.a. mit Cygnus-Teilung. Es verspricht also
eine sehr gute Nacht zu werden. Aber der Platz hier (immerhin 1300m mit Blick in die Alpen - Thomas ist
begeisert :-) ist leider oft tau-empfindlich und zeigt bei geringen Horizonthöhen nur allzudeutlich
wieviel Feuchtigkeit in niedrigen Schichten vorhanden ist (diffuse Dunststreifen).
Nur: Wie beginnt man nach Monaten der Abstinenz wieder das Beobachten ? Am besten ich schaue erstmal
nach Nebeln, solange es noch dunkler wird. Also ein Übersichtsblick im Bigfinder auf Cirrus und
Nordamerika. Sie stehen beide zenitnah und das sieht schon ziemlich gut aus ...
(1) Die Konsorten von M2 (GC, Aqr)
→ CrossRef
Dann sehen wir mal nach ein paar Kugelhaufen... Dafür brauche ich ja auch erstmal kein Notebook
(ich befürchte der NTB-Akku hält heute nicht die ganze Nacht durch).
Ich fange an mit M15
im 'Pegasus-Haxen'. Obwohl das Teleskop noch nicht perfekt durchgekühlt
ist, macht sich schon das hervorragende Seeing bemerkbar. Die Sterne stehen wie geklebt am Himmel.
Man hört ja hin und wieder dass leichter Dunst sogar förderlich sein soll (wahrscheinlich ja nur,
weil er eine stabile + nicht turbulente Atmosphärenschichtung anzeigt).
In M15 sind selbst bei
400x die Sterne noch fast punktförmig (meine Laserjustierung scheint auch schon ziemlich perfekt
zu sein, selbst ohne Feintuning am Stern).
Toll der extrem dichte +
kollabierte Kern von M15 !
Jetzt mal M22 über dem Teapot-Deckel
(Thomas kennt ihn noch nicht). Mords-Ding ! - fast so eindruckvoll
wie M13, und das trotz der geringen Horizonthöhe von nicht mal 15° - das bedeutet Luftmasse LM = 3.8
(LM = cosec(z) = 1/cos(z), z = Zenitdistanz), also 0.4 ... 0.6mag Absorption, mit dem Dunst sicher eher mehr...
Schwenk zu M13 im Herkules zum Vergleich.
OK, das fönt dann doch noch etwas (aber nicht viel) mehr als M22, aber
eben auch bei 53° Horizonthöhe (LM = 1.25, um die 0.15mag Absorption - relativ zum Zenit).
Vier Kugelsternhaufen im Vergleich - Feldgrösse jeweils 30' x 30'
© STScI Digitized Sky Survey
Jetzt mal das Notebook an. Ah, M2
in den Fischen fehlt mir ja auch noch auf meiner Liste. Ausserdem steht da die Bemerkung: 'dark lanes' -
mal sehen! M2 steht ja vom Endstern des Pegasus-Beins θ Peg symmetrisch zu M15 - M15 im Norden,
M2 im Süden, ca 8° westlich von α Aqr (westlich des Aqr 'Mercedes-Sterns'). Und tatsächlich kann man
sagen, dass M2 'dark lanes' hat, Streifen mit eher wenig Sternen. Wahrscheinlich ist es der gleiche
Effekt wie die 'Sternketten' in M13, nur in Negativdenke.
Feldgrösse 30' x 30',
© STScI Digitized Sky Survey
(2) Jupiter (SOL, Psc)
→ CrossRef
Eigentlich vermeide ich den Blick auf Jupiter et al. - hinterher kann bin ich immer 15min lang
blind. Ein 20" Lichtbündel ins (endlich leidlich adaptierte) Auge von einem -3mag Objekt, das tut man sich
nicht unbedingt an, wenn man eigentlich auf DeepSky Objekte scharf ist... Aber Thomas ruft
rüber: 'Schau Dir mal Jupiter an - Wahnsinn - das Seeing ist super !'
Also muss ich auch mal draufschwenken...
Oh wow ! - schon im 20mm Okular sieht der Planet detailreich aus. Die Bandstruktur
ist ganz anders als sonst. Das nördliche Äquatorband (NEB) ist da, aber das südliche SEB fehlt
- oder es hat sich zu
einer breiten aber helleren Abschattung bis zum Pol hin ausgebreitet. Die Mitte ist leuchtend weiss, das NEB
richtig orange-braun - das SPB (ich nenne es mal generös 'South Polar Band' :-)
zeigt ein helles orange - super Farben wie noch nie gesehen am Jupiter !!!
Bei höherer Vergrösserung wirken die farbigen Bänder sehr strukturiert
(Andeutungen von Wirbeln + Knoten), auch im weissen Äquatorialband gibt es ähnliches. Noch nie habe ich
Jupiter derartig detailreich gesehen. Sonst sieht man diese Details (trotz der Riesen-Öffnung relativ
zu den armen APO-Besitzern :-) ja immer nur einen kurzen Moment lang,
heute aber (fast) völlig konstant und perfekt scharfgezeichnet ! Ein eingefleischter Planeten-Freak hätte
hier sicher seine helle Freude.
Später in der Nacht - gegen 3 Uhr - ruft Thomas wieder rüber: 'Schau mal ! - jetzt läuft ein Mondschatten
über den Jupiter -
wie ausgestanzt !' (J3) Ganymed's Schatten läuft im Süden (wo das SEB fehlt) über die Jupiterscheibe hinweg
- extrem scharf gezeichnet. Auch die Monde ausserhalb der Scheibe bilden scharf ab + sind ohne die
geringste Anstrengung (und ohne Sternvergleich) als flächige Mondscheiben zu sehen
(wahrscheinlich hätte man sogar mal nach Monddetails schauen können).
Jetzt gibt es auch noch weitere Details:
genau auf dem Breitengrad des Schattens zeigt sich rechts im Osten noch ein dunkles Gebiet,
deutlich kleiner als der
Mondschatten. Ist das etwa der vorüberziehende Ganymed (der den Schatten wirft) ? Hm, aber kann der seitlich so weit weg sein
vom Schatten (Phasenwinkel) ? Wir sind uns unsicher.
Guide sagt zwar beim Nachbereiten, dass der Mond tatsächlich recht weit (fast 1 Jupterradius) vom Schatten entfernt ist,
dennoch Ganymed hätte bei niedrigeren Breiten sein müssen, etwa auf der Breite seines Schattens, oder ? Wir hätten gleich genauer in
Guide (und am Himmel :-) nachsehen sollen...! Im Norden gibt es jetzt allerdings etwas neues zu sehen: eine sehr scharfe dunkle
Linie (wie ein Schnitt) läuft entlang des NEB (ca 1 Jupiterradius Länge). Das Feature ist so gross und scharf/dunkel gezeichnet,
dass man zuerst an eine Täuschung denkt, es bleibt aber real. So etwas habe ich auf Jupiter noch nie gesehen ! Zu der Zeit steht Ganymeds
Schatten halblinks (SW) oben über der Scheibe, es muss also gegen 3:30...4h MESZ gewesen sein.
(3) R Aqr mit Ced211 (BN/ST, Aqr)
→ CrossRef
Die Anregung zu diesem coolen Objekt habe ich dem at.de Post von Reiner Vogel
zu verdanken - klasse Reiner, mal was ganz neues ! Auf dem DSS sieht der Nebel um R Aqr auch gar nicht so schwierig aus, aber bei
Nebeln weiss man eigentlich nie ganz sicher wie es dann visuell aussieht.
Leider ist mein Notebook-Akku gerade leer gelaufen (der Fluch der Technik), und ich muss das Ding mit der Uranometria, also zu Fuss, suchen (während das NTB im Auto am Ladestrom hängt). Ok, auf welcher Karte ist das DIng in der Ura ? Ohje... (der Fluch der Ura) Mit Thomas Notebook muss ich mir erstmal die Grobposition von R Aqr aus seinem Guide holen - dann finde ich R Aqr auch auf Ura Karte 121 und gehe so bewaffnet an die Suche.
Die beiden 5mag Sterne ω1 und ω2 Aqr habe ich
gleich gefunden, nur könnte ich zur Identifikation ein paar mehr schwache Sterne gebrauchen. Die Ura hört da auf, was ich in Guide in meinem
20° Übersichts-Feld sehe... Mist ! - bleibt nur Trial-and-Error mit dem OIII Filter.... Glücklicherweise klappt gleich
der erste Versuch - Bingo da ist er ! Schon im 13mm Okular + OIII sehe ich Ced 211 - eigentlich sogar erstaunlich unschwierig. Das Seeing ist hervorragend, so dass sich Cederblad 211 sehr gut vom Stern abhebt. Indirekt betrachtet sieht das Bild Sombrero-like aus: auf beiden Seiten des Sterns stehen - flach wie in einer Galaxienscheibe - Nebelteile hervor - Asymmetrien fallen mir nicht
direkt auf. Der Durchmesser des gesamten Nebels dürfte 1-2' betragen.
Toll sich vorzustellen, dass dieses Gas von dem Doppelsternsystem herausgeschleudert wird, und man das hier live beobachten kann !
Erstaunlich auch, dass dieses Objekt nicht öfter beobachtet wird - bei gutem Seeing ist es kein grosses Problem in Teleskopen der 20" Klasse,
ich denke auch auch in 14"-16" sollte es schon gut machbar sein.
Die
Physik dieses Objekts ist durchaus interessant - ein einführenden Artikel der AAVSO dazu findet man
hier. R Aquarii ist ein symbiotisches System: ein Mira-Variabler
und einem weisser Zwerg (es gibt zwei verschiedene Sterntypen im Spektrum). Der Mira-Variable ist ein Riesenstern und
bläht sich regelmässig auf. Dabei verliert er Masse (Wind) an den Weissen Zwerg, der diese z.T. in einer Akkretionsscheibe
aufsammelt und auch Jets erzeugt. Anscheinend verdeckt die Gasscheibe manchmal den Stern, so dass regelmässig Modifikationen
der normalen Miravariabilität auftreten. R Aqr ist einer der nächsten Sterne seiner Art, deshalb kann man ihn wohl auch
in relativ genauem Detail beobachten. Für Variablen-Freaks ist er sicher ein Leckerbissen !
Feldgrösse 20' x 20',
© STScI Digitized Sky Survey
(4) Versuch: Barnard's Merope Nebula (IC 349) in den Plejaden (BN, Tau)
→ CrossRef
Das Notebook lädt und lädt... - was beobachte ich jetzt noch ?- mit Ura oder auswendig ? Da fällt mir der Merope-Nebel ein. Ich weiss
zwar nicht mehr genau, in welcher Richtung er relativ zu Merope steht, aber versuchen wir's einfach mal, das Seeing ist ja sehr gut.
Leider kann ich nichts 'offensichtliches' in der Nähe von Merope entdecken. Man muss also genau wissen bei welchem PA und wie
weit der Nebel vom Plejadenstern entfernt steht. Next time ! - dann mit Notebook und den Aufsuchfotos...
(5) Versuch: SN 2010eb in NGC 488 (SN/GX, Psc)
→ CrossRef
OK, endlich ist mein Notebook wieder 40% geladen, das dürfte reichen für den Rest der Nacht ... Was steht noch auf meiner
TBO-Liste ? Ah eine Supernova SN2010eb in NGC 488. Sicher eher schwach aber schaumermal... NGC488 steht in einer eher
menschenleeren Gegend in den Fischen, ist aber bald gefunden. Ich hole mir noch das SN-Foto von
Joseph Brimacombe auf den Screen, aber selbst nach einigem Augenverbiegen: da ist nichts mehr. Die SN
ist sicher mittlerweile deutlich auf visuelle 17+mag gesunken... Dommage!
Einführung zu Asteroiden
Erste Versuche
Am 17. April 1977 (Guide hat's nachgerechnet :-) beobachtete ich zum ersten mal bewusst einen Asteroiden:
die 7.3m helle Ceres stand direkt im sogenannten grossen T (um 6 Comae) im Grenzgebiet
Leo/Virgo. Die Koordinaten hatte ich mir aus dem 'Ahnert' (ein damals berühmtes zahlen/tabellen-lastiges Astrojahrbuch) rausgesucht,
für die jeweiligen Beobachtungsnächte zu Fuss (nicht-programmierbarer Schultaschenrechner)
interpoliert und in die Karten meines 'Atlas Coeli' eingezeichnet. Von Tag zu Tag konnte man die Bewegung von Ceres
gut nachverfolgen. 7mag Asteroiden die gemächlich am Himmel ihre Bahn zogen, hatten für mich durchaus ihren Thrill - damals jedenfalls.
NEOs
Im Sommer 2002 stiess ich wieder auf das Thema als ich mit Astro-Kollege Andy Bender im C11 den Flyby des nur 800m grossen
Erdbahnkreuzers 2002 NY40 (Artikel) visuell beobachtete.
Das Objekt war am 14. Juli 2002 entdeckt worden, mit ca 14mag hatten wir ihn das erste mal im C11 sehen können
und am 18. August passierte er in nur 1.3x facher Mondentfernung und 9mag Helligkeit die Erde.
Wirklich eindrucksvoll war die extrem schnelle Bewegung von 8°/h = 8'/min - man konnte am Himmel live zusehen,
wie das Ding an der Erde vorbeizog ! 2002 NY40 war ein typischer NEO
(Near Earth Object), wenn auch nicht unbedingt ein PHA
(Potentially Hazardous Asteroid).
Eine tolle Beobachtung, nur leider eben sehr selten: solche Ereignisse gibt es nur alle paar 50 Jahre einmal, sagt Don Yeomans vom JPL
in dem Artikel oben. Heute beschäftigen sich international mehrere Organisationen
mit der professionellen Suche nach solchen Objekten, um globale Risikoabschätzungen und Frühwarnungen vor möglichen Einschlägen
zu produzieren. LINEAR und
NEAT zum Beispiel, die uns
aus den Entdeckungs-Namen neuer Kometen bekannt sind.
Apophis - Prototyp eines PHA
Der Prototyp eines PHA ist ein 300m-Brocken namens
2004 MN4 = Apophis (99942) (Tucker et al. 2004,
JPL Orbitdaten). Er sorgte
um Weihnachten 2004 für einigen Aufruhr (Chesley 2006, IAU Symp. 229, p.215-228), weil ein Einschlag am Freitag den 13. (oh-oh !) April 2029 nicht wirklich
auszuschliessen war. Die Bahnunsicherheiten für Apophis wurden mittlerweile - u.a. durch Radarmessungen - erheblich
reduziert (Giorgini et al. 2007): er wird
am Fr 13. April 2029 um 21:45 UTC die Erde in ca 38.000 Kilometern Entfernung passieren und als 3mag (!) Objekt
auch in Europa sichtbar sein (auch räumlich aufgelöst: 1.3-2.4arcsec Durchmesser).
Als Beobachter dürfen wir jedenfalls auf dieses abgefahrene Ereignis äusserst gespannt sein !
Nebenbei bemerkt: Guide sagt aufgrund der gegenwärtigen MPCORB
Daten etwas anderes - aber das liegt daran, dass Guide/MPCORB nur die Kepler-Gesetze aufgrund gegenwärtiger Bahnelemente anwendet und keine
säkularen Bahnänderungen berücksichtig, die mit der Zeit in einem Vielkörper-System notwendig auftreten.
Asteroiden selbst simulieren + beobachten
Genialerweise stehen aus den Aktivitäten der NEO-Surveys heute umfangreiche Objekt-Datenbanken
zur freien Verfügung, und: Interpolieren, Bleistiftzücken und Karte markieren
entfällt komplett dank Planetariums-Software. Ich benutze die Bahnelemente ( = Schlüsselparameter der Kepler-Umlaufbahnen um die
Sonne) namens MPCORB
(Minor Planet Center, Harvard, Cambridge/MA)
hochgeladen in Guide 8.0 (das im Ruf steht besonders schnelle + genaue Positionsberechnungen zu machen).
Bei der Verwendung
(Hinweise + ftp-Server für Guide) gibt es allerdings zwei wichtige Aspekte zu beachten:
-
Die Standard MPCORB Bahnelemente werden nur alle 200 Tage neu errechnet, d.h. Wechselwirkungen von Asteroiden mit massiven Objekten
(grosse Planeten, massive Kleinplaneten) werden nur in diesem Zeitabstand neu berücksichtigt. Bei der Beobachtung von NEOs, die z.B.
einen Erd-Flyby machen, benötigt man aber wirklich aktuellste Elemente, weil (a) durch den geringen Abstand sind geringe Bahnabweichungen
schon zu sehen sind, und (b) ein Erd-Flyby die Asteroiden-Bahn signifikant ändert . Für diese Objekte (NEOs) und Gelegenheiten zieht man daher am
besten Elemente von hier und nicht (!) die Standard MPCORB Daten.
-
Die Bahn sollte (besonders bei nahen Erd-Flybys) nicht geozentrisch berechnet werden, sondern die genaue
geografische Beobachtungsposition des Beobachters auf der Erde berücksichtigen. Man kann sich leicht ausrechnen,
dass (die maximal möglichen) 6000km Positionsungenauigkeit auf der Erde (GeoCenter vs. Oberfläche) für einen Asteroiden-Flyby in 2 Mio km Entfernung
eine Positionsverschiebung (Parallaxe) von 10' erzeugen. Für schwache Objekte ist das viel zu viel, um diese effektiv aufsuchen zu können. Also: Ephemeriden
für die GeoKoordinate berechnen lassen und/oder Planetariumsprogramm auf die GeoKoordinate einstellen (und nicht nur geozentrisch rechnen lassen -
Danke an Andre Wulff für diesen sehr berechtigten Hinweis).
Wichtige Hilfsmittel für Asteroiden sind der Ephemeridenrechner und
für die Veranschaulichung von Orbits der Small-Body Database Browser des
JPL (Jet Propulsion Laboratory)
am Caltech in Pasadena/CA (siehe auch die 'Orbit Viewer' Links bei den konkreten Asteroiden-Berichten unten).
Selektion
Jeder kann
heute selbst Heimforschung betreiben und auf die Suche nach interessanten Asteroiden gehen. 'Interessant' kann dabei heissen: besondere
Gruppenzugehörigkeit (z.B. Jupiter-Tojaner), besondere Eigenschaften (z.B. Lichtwechsel), besondere Bahnen (z.B. Erdbahnkreuzer) oder
besondere Ereignisse (enge und schnelle Passage der Erde).
Zur Selektion geeigneter Schnellläufer-Kandidaten am Himmel, lasse ich Guide die Asteroiden mit einer zurückgelegten
Bahnlänge von 3 Tagen plotten. Dabei werden schnelle Flyby's offensichtlich. Hier die Karte mit
der ich die hier beobachteten Objekte gefunden habe (nachträglich rot markiert). Man sieht, dass alle anderen Asteroiden im Feld
(Grenzgrösse 16.5mag) nur vergleichsweise sehr kurze Bahnen zurücklegen.
Selektion von Asteroiden nach 3-Tages-Bahnlänge: 152558 = 1990 SA (rechts unten)
und 154029 = 2002 CY46 (links oben) am ekliptikalen Himmel (Ekliptik = türkis,
unteres Bilddrittel) - Plots der kompletten Bahnen siehe Karte unten
Karte erzeugt mit Guide 8.0 + MPCORB
Die von mir
herausgesuchten Asteroiden - Asteroid 152558 = 1990 SA (1. Nacht) und
154029 = 2002 CY46 (2. Nacht) sind beide Objekte der 15+mag-Klasse und stellen durchaus Ansprüche
an die Beobachtungskunst ! Beide zeigen um den 11.Sept 2010 herum schnelle (wenn auch nicht extrem enge)
Vorübergänge an der Erde und durchstossen die Erdbahnebene
dabei relativ steil: 152558 'hinunter' in Richtung Süden (siehe Abb. unten, in rot, Nacht 1), 154029 'hinauf' nach Norden (in der Abb. gelb; Nacht 2).
Und kurioserweise passiert beides grob gleichzeitig im Umfeld des Pegasusquadrats... Das liegt daran, dass Pegasus (genauer Pisces)
derzeit der Sonne am Himmel genau gegenübersteht und die (Planeten und) Planetoiden hier ihre Oppositionsschleifen
ziehen. Wenn man so
will, befinden sich diese beiden Asteroiden gerade in der Schleifenphase ihrer Opposition, und durchlaufen deshalb (und aufgrund ihrer gleichzeitigen Erdnähe) besonders 'bewegte' Teile ihrer Bahn am Himmel.
Bahn der Asteroiden 152558 = 1990 SA (rot) und 154029 = 2002 CY46 (gelb)
am Himmel (Ekliptik = türkis). Man beachte die geschwindigkeitsabhängigen Abstände der
Datumsmarkierungen (30 Tage-Intervalle). Pfeile markieren die Positionen am 11.9.2010
Karte erzeugt mit Guide 8.0 + MPCORB
(6) Asteroid 152558 = 1990 SA (SOL, Peg)
→ CrossRef
→ Orbit Viewer
152558 ist ein Asteroid der Amor-Gruppe umläuft die Sonne in 2.86 Jahren (grob 1000 Tage) auf einem Orbit hoher Inklination,
d.h. seine Bahnebene ist mit i =38° relativ stark gegen die Erdbahn (Ekliptik) geneigt:. Er erreicht im Perihel 1.12 AE, im Aphel 2.90 AE Sonnenabstand.
Am 4. September 2010 befand er sich in grösster Erdnähe mit ca 0.31 AE - so nahe wird er der Erde die nächsten 20 Jahre nicht
mehr kommen, und ebensolange ist die letzte Annäherung auf einen solchen Abstand her. Dies ist also eine relativ seltene Begegnung -
zumindest auf menschlichen Zeitskalen. Tatsächlich sind zwischen 152558 und Erde aber 10x engere
Begegnungen möglich (1979: 0.03 AE = ca 10x Mondentfernung - vgl. aber 2002NY40: 1.3x Mondentfernung !!!). 152558 besitzt einen Durchmesser von ca 1.4km und eine Absolutmagnitude (Helligkeit im Abstand 1 AE) von M =16.7mag. Durch die Annäherung heute
auf 49 Mio km lag seine Helligkeit bei 15.6mag, mit einer Eigenbewegung von 5'/h = 5"/min (analog dem Entfernungsfaktor also auch 100x langsamer als 2002NY40), d.h. im Raum ca v = 20km/sec. Diese Bewegungsgeschwindigkeit
sollte im Teleskop nach einigen Minuten durchaus erkennbar sein, wenn man das Objekt erstmal identifiziert hat.
Die Bahn des Asteroiden liegt grossteils unterhalb/südlich der Ekliptik - im Moment durchsticht 152558 gerade die Ekliptik (=Erdbahnebene) von
Norden nach Süden (17./18.Sept 2010) etwa auf der Marsbahn (daher die Amor-Klassifikation) - eine Bewegung relativ zur Ekliptik ist also durchaus zu erwarten.
Bahn von 152558 in Pegasus
Feldgrösse vertikal ca 13' (entspricht meinem Feld bei 400x), Koordinaten siehe Ecke
links unten. Feld-Orientierung altazimutal zum Beobachtungszeitpunkt (N unten) !
© Guide 8.0, MPCORB und STScI Digitized Sky Survey
Zur Beobachtung: Die Bahn von 152558 führt ihn in Verlängerung von β → α Peg unter dem Pegasus-Quadrat nach Süden (siehe Übersichtskarte oben) - also ideal geeignet für die derzeitigen Nächte...
Wegen der geringen Helligkeit von 15.6m und der schnellen Bewegung lasse ich Guide direkt auf einen DSS-Ausschnitt
die Bahn plotten (in FITS Format, d.h. positionskalibriert) . Bei solchen Schnellläufern sind Abstände von 5min in Positionsmarken
hilfreich. Dadurch bekommt man ausreichende Anzahlen von Vergleichssternen und ist sich der Identifikation ausreichend sicher. Ausserdem benutzt
man zweckmässig eine relativ hohe Vergrösserung (400x, 12' Felddurchmesser): einerseits um genügend Detail zu sehen (Massstab für die
Erkennung der Bewegung), andererseits für ausreichend Grenzgrösse + Kontrast.
Ich brauche einige Zeit bis ich das Feld in der Nähe eines charakteristischen 5-Ecks aus 10mag Sternen gefunden habe und
jetzt mit 400x nach dem Asteroiden suche. Gegen 2:15 MESZ erwische ich ihn dann genau an der von Guide angezeigten Stelle für
diese Zeit - neben 3 schwachen Sternchen, an denen er jetzt in N-S-Richtung vorbeizieht.
Ich muss für die (von Guide berechneten) 15.6mag schon indirektes Sehen bemühen um ihn zu sehen, aber die ID ist eindeutig und nach
5 Minuten Beobachtung ist die Bewegung zwischen den Sternen wirklich offensichtlich. Geul !!! - ich freue mich über den
ersten 'selbst-selektierten' Flyby-Asteroiden meiner Karriere: immerhin ein nur 1.4km grosser Felsbrocken
in 50 Mio km Entfernung von der Erde - think about it !
Ende der 1. Nacht
Es ist jetzt schon 4:30Uhr und die volle Arbeitswoche sitzt uns beiden in den Knochen. Ich für meinen Teil bin vor allem von der
Asteroiden-Sucherei jetzt ziemlich geschafft. Der Hauptspiegel sieht auch nach kräftigem Kondenswasser aus, die Bilder des Teleskops
sind nicht meht die brilliantesten ... Wir beschliessen den Abend und packen die wirklich tropfnassen Teleskope (gegen 3h musste ich
den Fangspiegel schon abtauen) und Utensilien ein. Noch gute 20 Minuten holprige Abfahrt vom Berg + Heimfahrt sind - hundemüde - zu bewältigen.
Wir sind heilfroh als wir endlich gegen 5:45 in HIHO beim Nachtbier sitzen und die Dorfglocke läutet. Ne tolle Beobachtungsnacht - ab in die Falle !
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Der Nordhimmel mit den aus Westen anrückenden Cirren in der 2. Nacht
(links α Lyr, hinter dem Baum UMa, Bildmitte UMi, Bildwinkel 112°)
f=12mm, 8min, f/5.6, ISO400, Canon 5D, autom. Darkabzug
Zweite Nacht (HIHO)
Als ich am Samstag zur zweiten Nacht auf der Wiese in HIHO ankomme, gehen Mond + Venus gerade im Westen unter, im
Südosten geht Jupiter auf. Die Sonne ist schon fast 1h untergegangen, ujnd die Schweizer 4000er Alpengipfel, die noch am Nachmittag
von hier aus super zu sehen waren sind jetzt im Zwilicht verschwunden. Für einen Samstag abend ist es in
den Tälern rundum ganz schon laut vom Autoverkehr - ganz anders als sonst ! OK, das kommt wohl vor allem aus
Richtung Westen aus Todtmoos, wo heute - nur 10km entfernt - die SWR3 Dance-Party und der dazugehörige Bär tobt.
Im Moment gibt es noch leichte Cirren, von denen der Wetterbericht hoffnungsvoll
behauptet hat, sie würden sich im Laufe der Nacht noch auflösen. Ich hoffe es ! Aber ein paar Wolken
machen sich auf Fotos vielleicht ja ganz gut, also schiesse ich ein paar Aufnahmen für den BB... (siehe oben)
(7) Propeller Nebel = DWB 111 (BN, Cyg)
→ CrossRef
Der Propeller steht schon 'ne zeitlang auf meiner Liste, es hatte bei einem Quick+Dirty Versuch (wie beim Merope-Nebel
oben :-) letztes Jahr aber nicht geklappt. Heute starte ich nochmal einen Versuch - und diesmal habe ich auch den hochnotwendigen
Hβ Filter parat ! Ich muss zugebeben: in der Milchstrasse im Zenit nach nicht sofort sichtbaren Objekten zu pirschen, ermüdet mich schon
immer etwas. Durch die Vielzahl der Sterne fällt das Hopping schon einiges schwerer - vor allem wenn Cygnus (wie öfter mal im Sommer)
im Zenit steht und mit jedem kleinen Hop die Drehung des Bildfeldes in Guide geändert werden muss. Das macht die Orientierung echt
zum Alptraum. Am besten man macht solche Sachen (kürzlich ächzte ich auch schonmal bei Cyg A über das gleiche Problem) etwas
abseits des Zenits.
Als ich die Stelle gefunden habe, schraube ich den Hβ ein, aber nichts tut sich ... Falsche Stelle ? Ich identifiziere
schliesslich die drei 8mag Sterne die in unmittelbarer Nachbarschaft im SO des Nebels ein rechtwinkliges Dreieck bilden.
Erst mit indirektem Sehen und recht angestrengt kann ich den S-Flügel des Propellers sehen, der N-Flügel ist noch etwas
schwächer. Von einem Eindruck ähnlich dem DSS kann keinerlei Rede sein - ein eher unbelichtetes Objekt. Allerdings ist mein
Himmel auch eher schlecht, ca 21.2mag/sas (aber widerum Linienfilter....!).
Mein Fazit: nicht gerade der spektakuläre Retina-Brenner, der Propeller !
Feldgrösse 30' x 30',
© STScI Digitized Sky Survey
(8) Sh 2-100 (BN, Cyg)
→ CrossRef
Auf meiner Liste (gleich um die Ecke) wartet auch noch Sharpless 100 - das DSS Bild sieht interessant aus. Leider stelle ich
fest, dass ganz gegen die Gewohnheiten von Guide hier kein DSS Bild direkt in der Karte eingebunden ist. Das erweist sich leider
als fatal, wegen der unsäglichen Bildfelddrehung und weil ich es irgendwie gerade nicht schaffe Guide + Realität +
DSS Bild genau zu orientieren. Sh2-100 finde ich ja auch - mit OIII ist er durchaus gut erkennbar im 9mm Okular.
Auch dessen taillierte Form ist passabel zu erkennen. Nur hätte ich dann eben noch gern den benachbarten Sh2-99
gesehen, der auf dem DSS so interessant nach Spiralform aussieht. Da verheddere ich mich aber letztlich und bin genervt
von der anstrengenden Suche (Milchstrasse, Zenit, Bildfelddrehung). Letztlich reicht meine Motivation nur für den
gesehenen Sh2-100... Dieses Sharpless Zeugs, ts ts - naja, next time !
Feldgrösse 30' x 30',
© STScI Digitized Sky Survey
(9) NGC 7814 (GX, Peg)
→ CrossRef
Gerade schreibe ich diesen Bericht und lese nebenher das neue SuW 10/2010. Echt kurios ! - genau in diesem
Monat schreibt auch KPS (S. 72f) über NGC7814, was'n Zufall. Ich hatte das Objekt aufgrund des DSS Bildes schon
ne Zeitlang auf Halde, und heute ist es dann soweit, wenn auch der Himmel mit 21.2mag/sas, nicht besonders
Galaxien-tauglich ist. Die Auffindung ist sehr leicht, weil sich die Galaxie gerade mal 2.5° einwärts (westlich) des
linken unteren Pegasus-Quadrat-Sterns γ Peg befindet. Telrad auf γ Peg, dann ein kurzer Schwenk
um 1 1/2 Felder im Bigfinder und: Gotcha ! Gerade 12' nordwestlich steht ja auch noch ein 7mag Stern...
NGC 7814 ist wirklich ein Sombrero im Kleinen, allerdings hier ganz genau edge-on. Den Staub in der
Scheibenebene kann ich wirklich nur auf dem Bulge (Durchmesser 1.5') sehen: der Bulge ist deutlich eingeschnürt auf der langen Achse !
Die Fortsetzung des Staubes in der schwächer werdenden Scheibe weiter draussen bleibt mir allerdings verborgen. Die Scheibe ist aussen
zu schwach und man braucht extra guten galaxy-grade Himmel, um hier noch etwas detektieren zu können.
Fotos zeigen die Staub- und Stern-Scheibe freilich schön mit Durchmessern von >6'. Insgesamt: ein sehenswertes und
interessantes Objekt wegen der sehr klar sichtbaren Staubabsorbtion !
Feldgrösse 30' x 30',
© STScI Digitized Sky Survey
(10) PGC 69457 + Einstein's Kreuz (GX/AGN, Aql)
→ CrossRef
Einsteins Kreuz ist eines der bekanntesten Beispiele einer Gravitations-Linse.
Dies wäre natürlich ein super Objekt der XXL-Schwierigkeits-Klasse für die erste Nacht gewesen, mit dem hervorragenden Seeing
von gestern. Mir soll es aber schon reichen, überhaupt mal die Vordergundgalaxie zu sehen, die das Lensing des 8 Mrd Lichtjahrte
entfernten Quasars hinter
Einstein's Kreuz hervorruft. Die Galaxie heisst deshalb auch Huchra's Lens.
Wenn man sich vorstellt, dass die 4 Komponenten des Kreuzes folgende V-Magnituden-Werte haben:
17.4; 17.4; 18.4; 18.7 (Vakulik et al. 2004) - und das in (sozusagen Doppelstern-) Abständen von 1.8" und 1.6",
dann bezweifle ich doch ein wenig, dass
da allzuviel zu machen sein wird im 20-Zöller - selbst bei bestem Seeing und bester Optik. Selbst integral besitzt das Quasarquartet nur
16.8mag Gesamthelligkeit (z=1.7, M=-28.7mag), was allein schon an der Grenze des Machbaren wäre für die 20"-Klasse.
Die Vordergrundgalaxie des Kreuzes hat
aber 15.1mag - das zumindest sollte in 20" möglich sein. Den Rest muss ich mir - dabei über die Bedeutung des Objekts meditierend -
eben dazudenken (wie so oft) ! Ohnehin ist Einstein's Kreuz ein eher 'philosophisches Objekt'...
Gefunden war die Galaxie schnell - sie steht kaum 4° NO von η Aqr, einem Stern des Mercedes-Sterns, der das nördliche Ende
des Wassermanns markiert. Trotz schlechtem Himmel ist sie passabel auszumachen, bei indirektem Sehen gut als Galaxie (Kern +
diffuse Hülle) erkennbar. Ein Kern ist da, aber immer noch relativ diffus und wenig stern-artig. Weitere Details sind bei diesem Himmel
und beim heute recht miesem Seeing einfach nicht zu machen.
Auf langbelichteten Aufnahmen mit hoher Auflösung sieht man, dass PGC 69457 eine Balkenspirale bei Redshift = 11000 km/sec (500 Mio Lj) ist.
Offenbar ist der Core der Galaxie fast exakt auf die QSO Position zentriert - dadurch die Aufspaltung in 4 fast gleich helle Quasarbilder.
In der Profiastronomie ist das normale Lensing des Quasars ein alter Hut. Hier untersucht man u.a. auch das Micro-Lensing
(z.B. Eigenbrod et al. 2008) in diesem Objekt.
D.h. es werden die schnellen Variationen in der Helligkeit der 4 Bilder untersucht. Damit kann man auf die im Bulge der Galaxie 'streuenden'
Einzelobjekte (Sterne, Haufem) rückschliessen. Ausserdem hat der Quasar (wie fast alle QSOs) intrinsische Helligkeitsvariationen,
deren gegenseitige Verzögerung in den 4 verschiedenen Bilderm untersucht wird. Damit kann man die (Micro-) Lensing-Modelle noch genauer machen.
Ich halte noch einen Moment an und denke an die 8 Mrd Jahre Lichtlauf, an Albert's ART und die Schwierigkeiten, die
die Theoretiker-Kollegen mit der mistigen und widerspenstigen Gravitation haben...
Dass die Welt so komplex sein muss ?! - oder besser: der Mensch so naiv ?! :-)
Feldgrösse 30' x 30',
© STScI Digitized Sky Survey
(11) Asteroid 1172 = Äneas = 1939 UA (SOL, Aql)
→ CrossRef
→ Orbit Viewer
Es ist schon Mitternacht, die Cirren haben sich leider keineswegs aufgelöst sondern tendieren zum Dichterwerden und mein
Asteroidenprogramm ruft nach Fortsetzung... Neben den beiden schnellen Flyby's interessieren mich ausserdem noch spezielle
Asteroiden-Klassen, z.B. die Jupiter-Tojaner. Das sind im weiteren
Sinn Asteroiden, die in den Lagrange-Punkten L4
und L5
von Jupiter die Sonne umkreisen, d.h. Jupiter auf seiner Bahn 60° voraus oder hinterher fliegen. L4 und L5 sind
sozusagen 'stabile Regionen' auf der Umlaufbahn von Jupiter, in der sich Asteroiden langfristig aufhalten können (wenn sie mit der Periode
von Jupiter mit die Sonne umlaufen). Aus allen anderen Regionen streut Jupiter sonnenumlaufende Körper
(die typischerweise eben deutlich kleiner sind als er) weg, oder fängt sie ein. Er wirkt in dieser Region (und darüber hinaus) durch seine grosse Gravitation als Staubsauger und Rausschmeisser
in einem.
Theoretisch versteht man die Lagrange-Punkte, wenn man das sog. Drei-Körper-Problem
analysiert. Kepler's einfache Umlaufbahnen gelten nämlich streng nur für das 2-Körperproblem, also z.B.
das isolierte System Sonne - Jupiter. Kommen in diese Konstellation weitere dritte Körper hinzu, so ist das System in fast allen Konfigurationen
instabil bzw. chaotisch (wenn der 3. Körper wenig massiv ist, wird er weggestreut oder eingefangen). An L4 und L5
werden dritte Körpers nicht weg gestreut, sondern kehren - wenn sie ein wenig aus der Optimalposition ausgelenkt werden (z.B. durch kleine Bahnstörungen) - quasi durch eine Art 'Rückstellkraft' (hervorgerufen durch den Verlauf des Potentials im rotierenden System) wieder in ihre
Ursprungslage in den Punkt zurück (und das ist die allg. Definition von 'Stabilität').
Wenn aber Drei-Körper-Systeme im allgemeinen chaotisch sind:
Ist das Sonnensystem denn überhaupt stabil ? Warum ? Wie lange noch ? Das sind interessante Fragen die sich
daran anschliessen. Zur Beantwortung (die nicht ganz einfach ist) liest man einführend z.B.
da,
da
oder
da.
Vor einigen Jahren gab es auch einen sehr guten Artikel in SuW dazu (hat jemand das Zitat ???).
1172 = Äneas ist ein Trojaner, und dies sogar im engeren Sinn: er läuft Jupiter auf
seiner Bahn 60° nach. Diese (nahe L5) nachlaufenden Asteroiden nennt man (im engeren Sinn)
die 'Trojaner',
jene welche 60° (um L4) vorlaufen dagegen werden die 'Griechen'
genannt. Analog haben diese Asteroiden Namen aus der trojanischen oder griechischen Welt.
1172 ist ein Brocken von 143km Durchmesser, der es zur Zeit auf 15.3mag visuelle Helligkeit bringt (M=8.3). Seine Erd-Entfernung liegt
natürlich immer in der ungefähren Grössenordnung der Jupiter-Entfernung, also zur Opposition um 4AE (Sonnenentfernung 4.7 AE).
Bemerkenswerterweise umläuft Äneas die Sonne keineswegs in der Ebene der Jupiterbahn/Ekliptik, wie man es naiv aufgrund der Trojaner-Story
annehmen könnte ! - sein Orbit ist vielmehr 16° gegen die
Ekliptik geneigt. Allerdings läuft er darauf dann synchron (mit gelicher Umlaufsperiode = 11.9 Jahre) hinter Jupiter in ca 60° Abstand her.
Man könnte auch sagen: während er umläuft, pendelt er zusätzlich in z-Richtung (senkrecht zur Ekliptik) um den Jupiter-L5 Punkt.
Im Moment steht er bei dieser Pendelbewegung ca 1 Jahr vor dem nördlichen Hochpunkt seiner Bahn (nördlich über der Ekliptik - deshalb auch seine Position in Aql und nicht in Cap - siehe Übersichtskarte unten). Im März 2014 wird er dann die Ekliptik/Jupiterbahnebene gen Süden passieren - aber immer schön 60° Abstand zu seinem Herrn halten ...
Oppositionsschleife von Äneas im Jahr 2010 (Bahnlänge 365d)
Abstand von Jupiter (links) ca 4h in α, also grob 4x15° = 60°
Karte erzeugt mit Guide 8.0 + MPCORB
Wie man an der Übersichtskarte (oben) sieht, hat
Äneas seine Oppositionsschleife (Rücklauf nach W) jetzt fast hinter sich und läuft ab Mitte Oktober wieder
ostwärts am
Himmel. Er steht heute abend aufsuchfreundlich unter der östlichen Flügelspitze des Adlers:
ausgehend von η und θ Aqr in einem gleichseitigen Dreieck nach Süden.
Er ist kein Schnellläufer wie die anderen beiden Asteroiden: er macht gerade mal gemächliche 8''/h
(ca 60x langsamer als die beiden Flyby Asteroiden !). Seine auf dem DSS geplottete
Bahn heute (unten, Marken in 2h Abständen) ist entsprechend kurz. Trojaner aufsuchen ist also typischerweise
keine wirkliche 'Hetzjagd'. Ich finde bald die
auf der Detailkarte dargestellte Konstellation von Sternen im Bereich 8...11mag. Und dann auch
Äneas und den kleinen (ca 15mag) Nachbarstern, den er laut Guide gegen 2h MESZ heute Nacht passieren wird. Die Identifikation ist also
gesichert !
Es war hochinteressant, mal einen echten Trojaner draussen auf der Jupiterbahn sehen zu können, und wie treu diese Gefolgsleute
ihrem massereichen Herrn im Sonnensystem hinterherfliegen...
Bahn des Asteroiden Äneas (1172) am 11./12.9.2010, 22-18h MESZ
Feldgrösse 37' x 27', erzeugt mit Guide 8.0 auf Karten des
STScI Digitized Sky Survey
PS:
Äneas (= 1930 UA) wurde übrigens am 17.10.1930 sogar hier in Heidelberg entdeckt ! - von
Karl Wilhelm Reinmuth
(1892-1979, Bild im aktuellen SuW 10/2010) an der Landessternwarte (LSW) auf dem Königstuhl. Die LSW war damals führend auf dem Gebiet der (fotografischen) Asteroidensuche mit ihrem Bruce-Teleskop
und dem daran angebrachten Doppelastrograph (+ Plattenkomparator). Da dachte ich gar nicht dran, als ich mit dem antiquierten Ding
(und den grottigsten Okularen ever) in den 1990ern öffentliche Führungen machte... :-)
(12) Asteroid 154029 = 2002 CY46 (SOL, And)
→ CrossRef
→ Orbit Viewer
Mir fehlt noch der zweite Flyby Asteroid, jener der vor einiger Zeit M31 überquert hat und jetzt auf dem schnellen Weg
von Andromeda in den Norden ist: Asteroid 154029 erreichte am 2. September erst seinen orbitalen Minimalabstand zur Erde.
Heute, 10 Tage später, ist er 0.21 AE entfernt, und er zeigt eine Relativbewegung von 7'/h = 7''/min (v = 24 km/sec).
Das sollte eigentlich eine in wenigen Minuten recht gut erkennbare Bewegung sein. Nur muss man erstmal diesen 15mag Punkt
in den Aussengebieten der Milchstrasse (nördliches Sternbild And !) gefunden haben...
Ich gehe aus von dem Sterndreieeck λ - φ - κ Andromedae (ca 12° NW von M31). Die Linie λ - φ
wird 3° nach Osten verlängert. Dort beginnt die Feinsuche mit dem Plot auf dem DSS-Bild. Wenn man
Sterne von 10...12mag sucht, so macht das nicht wirklich Mühe. Man sieht sie oft schon im Übersichtsokular + es gibt nicht so viele
Sterne von dieser Helligkeit. Anders sieht es
aus, wenn man fliegende 15+mag Objekte wirklich sicher identifizieren will. Das erfordert einen ziemlichen Drill-Down,
hohe Vergrösserung (bei dauerdem Hinterherschubsen) und mindestens 15min volle Konzentration dabei...Stress ist natürlich auch die
Bewegung: ständig schaut man auf die Uhr: Wieviel Uhr ist es jetzt, Ok dann steht er da... später da... dann dort... ächz !
Resultat ist: mein erster Anlauf
scheitert ! - plötzlich finde ich das Feld nicht mehr nach einem Nachführ-Schubser und weg bin ich. Ätzend wenn volle Anstrengung und Konzentration so ins Leere laufen.
Ah Mist ! ... ich muss erstmal 'n ordentliches Stück (Frust- und Konzentrations- :-) Schokalde reinhauen und mich ein wenig in meinen
Camping-Sessel setzen...
Gute 25 Minuten später ein zweiter Versuch - da capo ! Ah, diese Gegend kenne ich schon -
OK - aber hier muss ich jetzt schon etwas weiter runter... (25min sind lang für einen schnellen Flyby - immerhin mehr als 3') ... OK, jetzt noch
diese Gruppe und dieses Sternchen... Nach 15min voller Konzentration habe ich die richtige Stelle endlich festgenagelt. Und - fast schon direkt -
sehe ich den Asteroiden. Nach 2 Minuten hat man schon eine Ahnung von Bewegung, nach 5min ist es deutlich zu sehen: Das ist er !!! Wow ! - ich
beobachte noch seine Passage entlang an der 3er Gruppe von Sternen (Karte, li. unterhalb der Bildmitte, 13-14mag Sterne)... Er ist merkbar
schneller als 152558 von gestern Nacht (wohl auch wegen der vielen Sterne zum Positionsvergleich in der Umgebung).
Klasse das Ding so fliegen zu sehen - (fast schon) so gut wie seinerzeit NY40 !
Beobachtung von 154029 = 2002 CY46 am 12.9.2010, 1h...1:15h MESZ
Feldgrösse 9' x 7' (entspricht grob dem zentralen Okularfeld bei 400x)
Karte erstellt mit Guide 8.0 + MPCORB + STScI Digitized Sky Survey
154029 ist ein Asteroid der Apollo-Gruppe und umläuft die Sonne in 2.6 Jahren (949d), ebenfalls auf einem exzentrischen (Perihel = 1.02 AE / Aphel =
2.77 AE) und stark inklinierten Orbit (i = 44°). Der Grossteil seiner Bahn liegt - im Gegensatz zu 152558 - bei Ihm nördlich der Ekliptikebene. Den Ekliptikdurchstoss nach N hat er (ziemlich nah an der Erdbahn !) gerade erst am 30.8. hinter sich gebracht. Und jetzt - nur 2 Wochen später - ist er schon 41° nördlich - er ist also wirklich schnell !!! Seine 15mag heute verdanken wir seiner Erdnähe, seine Absoluthelligkeit liegt bei M = 16.4mag und der Durchmesser ca 3.5km. Nahe Begegnungen mit der Erde passieren ihm nur alle 13 Jahre !
Wenn's jemand nachbeobachten möchte: am 1.September 2023 ist es soweit ... :-)
Leider ist jetzt (1:45 Uhr) Schluss mit lustig (soll man die Schufterei lustig nennen ?) und die Cirren werden immer dichter. Ich bin ohnehin schon ordentlich
geschafft - die 6Uhr Bettgehzeit von heute morgen stecken mir auch noch in den Knochen. Ich beschliesse also den Abend, ganz zufrieden
mit der Ausbeute und den Erlebnissen am Südschwarzwaldhimmel....
Und: Klasse war's - hätte vorher nie gedacht, dass 'normale' Asteroiden so 'abgefahren' sein können !
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