Beobachtungen
(1) Sharpless Quintet Sh 2-255 (BN, Ori)
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Ich habe gerade noch 21.2mag/sas Himmel gemessen und fange also mit Nebeln an (der Spiegel
muss auch noch etwas kühlen, sagt mir das Defokus-Bild). Warum ich gerade mit diesem Objekt
anfange, weiss ich auch nicht - wahrscheinlich weil es, am Fuss des Castor, am meisten vom Untergang im SW bedroht
scheint.
Auf jeden Fall ist es letztlich ... annähernd Fehlanzeige ! Die beiden hellsten
kreisrunden Nebel sind ganz vage angedeutet. Ich bin mir trotz field sweeping nicht 100%ig
sicher, sie zu sehen. Filtern ? Auch OIII verbessert die Sichtung nicht. Ich denke mir, die
Dinger sind vielleicht sehr schwach, und ein Problem mag auch meine Dunkeladaption sein, der helle
Schnee ist hier sicher nicht besonders hilfreich. Muss nochmal in Reiner's Beobachtungsbericht und
seinem Sharpless-Atlas nachsehen...
(Hab Reiner am DSM gefragt: natürlich muss man für dieses Objekt Hβ zum
Filtern nehmen, oh Mann ! Mir scheint, ich bin etwas aus der Übung gekommen in den vergangenen (beobachtungs-dürren) Monaten
... next time... !)
Feldgrösse 30' x 30',
© STScI Digitized Sky Survey
(2) NGC 2174 (BN, Gem)
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Zum Vergleich schwenke ich hinüber zum 2.5° nördlicheren NGC 2174, den ich früher schonmal
beobachtet hatte (in Verbindung mit dem Jellyfish Nebula). Tatsächlich ist NGC 2174 recht
deutlich zu sehen, inklusive seiner Form, auch schon ohne Filterung. D.h. also das Sharpless
Quintett ist schon relativ schwierig ... :-)
(PS: oder eben ShQ war falsch gefiltert, s.o.)
Feldgrösse 60' x 60',
© STScI Digitized Sky Survey
(3) NGC 2163 = Ced 62 (BN, Ori)
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Nur 1.5° entfernt steht ein weiteres interessantes Objekt, namens Cederblad 62 (vulgo NGC 2163),
das vor einiger Zeit ein Kollege bei CN in einem Bericht kurz erwähnt hatte.
Man könnte zuerst meinen, es sei ein PN mit bipolarer Ausströmung. Die umgebende, hakenförmige
Sterngruppe ist recht
charakteristisch und der Kern von Ced62 relativ schnell gefunden. Allerdings ist der Nebel nicht
extrem prominent. Der nördliche Kegel scheint mir deutlich heller (oder besser: markanter) zu sein, wodurch das Objekt
ein kometenartiges (nicht so deutlich bipolares) Aussehen bekommt. Südlich des Kerns ist ebenfalls
Nebelhelligkeit zu sehen, aber eher ein diffuser Halo, nicht so gerichtet wie im Norden und schwächer.
Kollege Uwe Glahn hat den Nebel sehr treffend gezeichnet.
Mein visueller Eindruck stimmt mit seinem recht gut überein, nur der südliche Teil erschien mir
etwas diffuser und breiter:
Zeichnung von Uwe Glahn (16" f/4.5 bei 257x)
(mit freundlicher Genehmigung von Uwe :-)
click auf das Bild leitet zu seiner Website weiter)
Wenn man
sich das DSS Foto genau ansieht bemerkt man ja auch, dass die Nordhälfte (oben) höhere FH hat und eine
relativ scharfe Kante im Westen (rechts) besitzt ! Daher also der visuelle Kometen-Look (und eher nicht bipolar)
im Teleskop. Auf OIII-Filterung reagiert der Nebel nicht besonders gut, bestenfalls der Kern ist deutlicher.
Ich probiere noch UHC, aber auch das überzeugt nicht wirklich. Das alles spricht für einen
hohen Reflexionsbeitrag im Nebellicht. Ist das also wirklich ein PN oder doch eher ein YSO (young stellar
object) ähnlich wie NGC 2261 (Hubble's Variable Nebula) ? Natürlich kann man (ausweichend) immer
noch sagen es sei ein 'cometary nebula', aber das hilft der physikalischen Aufklärung ja nicht
allzuviel...
Im Nachhinein fand ich per Google auch noch den VdS Artikel von W. Steinicke.
Ansonsten ist über das Objekt allerdings im Web nicht allzuviel herauszufinden (was angesichts
der Geschichte in obigem Artikel verständlich ist). Möglicherweise ist der Zentralstern vom Be Typ. Der Nebel
wird auch von anderen Beobachtern als Reflexions-Typ charakterisiert (na also, wenigstens
hab ich die Differential-Diagnostik richtig gemacht :-).
PS: Ausserdem habe ich trotz der richtigen Schlussfolgerung Reflexion, wieder vergessen nach Polarisation
zu sehen. Und ich hatte mir eigens für solche Fälle kürzlich einen 2" Polfilter zugelegt... Herrgott !
Feldgrösse 15' x 15',
© STScI Digitized Sky Survey
(4) Medusa-Nebel = Abell 21 (PN, Gem)
→ CrossRef
Kürzlich hat Kollege lots auf a.de
vom Medusa-Nebel berichtet. Kannte ich bis dahin auch nicht,
also riskieren wir einen Blick. Er befindet sich im Niemandsland zwischen CMi und Gem, ca 8.5° nördlich
von Prokyon. Obwohl Guide die Koordinaten des Abell-Nebels kennt, gibt es keine Markierung dort
und auch kein eingebundenes DSS Bild. Erstaunlich eigentlich, weil lots berichtet hat, der Nebel
sei auch in 8" nicht schwierig.
Tatsächlich ist der Nebel gut zu detektieren + reagiert auch auf OIII Filterung (PN Anregung).
Die Form ist sehr schön zu erkennen, wie ein Halbmond mit deutlicher Innenkante. Details
kann ich bei diesem Himmel nicht (so schnell) ausmachen. Aber in jedem Fall, sollte man das Objekt
ruhig mal anfahren - auch mit <20".
Hier findet man einige interessante Infos zur Physik des Objekts.
Feldgrösse 30' x 30',
© STScI Digitized Sky Survey
(5) Eskimo-Nebel = NGC 2392 (PN, Gem)
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Der neben dem Weg im tiefen Schnee steckende Schneeschieber und mein eigenes (durchaus voluminöses)
Beobachtungs-Outfit heute abend suggerieren irgendwie noch eine weiteres
PN-Objekt: probieren wir mal endlich den Eskimo-Nebel ! Eigentlich dachte, ich hätte ihn schonmal
beobachtet, aber offenbar nicht ...(zumindest nicht die Details).
Der Nebel ist sehr flächenhell, auch schon völlig ohne Filter. Der Zentralstern ist ebensfalls hell
(11mag) und zeigt zusammen mit dem Nebel den bekannten Blinking Effekt:
direkter Blick auf den Zentralstern - Nebel verschwindet; Blick neben den Stern und der Nebel kommt
sehr deutlich heraus. Farbe sehe ich keine, aber ich habe gehört man könne das Gesicht des Eskimo
sehen ...? Ich vergrössere bis auf 400x, sogar 800x (das Seeing is passabel, der Spiegel ist jetzt auch
schon relativ gut gekühlt), dann auch mit OIII Filterung. 100" nördlich des Eskimo steht noch ein
8.3m Stern. Tatsächlich sehe ich bei hoher Vergrösserung, wie der Eskimo mich angrinst: eine helle
bogenförmige Kante (='grinsender Mund') zieht sich durch den Nebel, wobei der Scheitel des Bogens
dem hellen 8.3m Stern zugewandt ist - stimmt's ?
Später bei BB-Schreiben am Schreibtisch google ich nochmal: Bingo !
- siehe z.B. dieses Bild
mit dem 8.3m Stern unten. Auf dem Bild ist die Kanten zwar durchaus umlaufend , aber
wenn man genau schaut oben deutlich diffuser. Das ist wohl der Grund für meinen Eindruck
der 'Mund' sei nur unten.
Tatsächlich sind die Strukturen im Nebel ja überaus reich, wie HST Bilder zeigen (das DSS Bild ist
natürlich überbelichtet). Bei bestem Seeing könnte ich mir vorstellen, dass hier noch einiges
mehr zu sehen ist ! Und ich bin sicher, die Kollegen von der PN-Front wissen hier einiges dazu zu
sagen ... :-)
Feldgrösse 20' x 20',
© STScI Digitized Sky Survey
(6) Mars (SOL, Cnc/Gem)
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Da der Spiegel nun ausgekühlt zu sein scheint, wage ich einen Blick auf den Mars. Gibt es
Oberflächendetails zu sehen ?
Ich bin überrascht: das 11" grosse Scheibchen zeigt links (im N) eine (relativ) kleine Polkappe
und zwei voneinander deutlich getrennt zu erkennende, grosse Dunkelgebiete, eines im Norden, eines im Süden.
Die Details sind nur hin und wieder gut zu erkennen - die
Luft wabert leider doch beträchtlich. Am besten erkenne ich die Strukturen bei 400x und mit Neutralfilter
(um das Licht zu dämpfen).
Unten eine (später beim Berichtschreiben) zur Verifikation zeitgenau erstellte Karte aus Guide 8.0
(natürlich mit viel mehr Details als ich am Teleskop erkennen konnte) - die Grobstruktur die ich im Teleskop sah stimmte
wohl offensichtlich ... :-)
Mars (Durchmesser 11.4'', Entfernung 0.82 AE)
zeitgenaue Karte, jedoch mit sehr viel mehr Detail als visuell erkennbar war !
(erstellt mit Guide 8.0)
Oh, es ist schon fast Mitternacht ! - Leo + Coma steht jetzt hoch am Himmel - es wird Zeit sich dem Eigentlichen zuzuwenden, nämlich der ...
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Large-Scale Structure (LSS) - Einleitung
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Auf dem DSM 2010 halte ich am
20.3. einen Vortrag über den Titel dieses Beobachtungsberichts. Hier eine kleine Zusammenfassung des Vortrags zur Einleitung
ins Thema LSS:
Unter Large-Scale Structure versteht man die grossräumige Verteilung von Galaxien im Universum,
d.h. auf räumlichen Skalen von 25 Mpc und mehr (das ist also > grob Virgo-Entfernung). Die wichtigsten Strukturen auf dieser Ebene
sind das sogenannte Cosmic Web (eine netzartige Struktur entlang derer sich die Galaxien im Raum aufreihen),
die Cluster (Galaxienhaufen)
und die Voids (bis zu 100 Mpc grosse Leerräume in der Galaxien-Verteilung). Wie kann man die Entstehung dieser Strukturen
im Universum verstehen ?
Der Big Bang erzeugt durch die unvermeidlichen Quantenfluktuationen bei höchsten Energien und Dichten in
der allerersten Phase räumliche Dichteschwankungen im Universum.
Diese Saat-Fluktuationen erzeugen (nach Vergrösserung durch die Inflation) die
Fluktuationen, die man in der 3K-Hintergrundstrahlung (CMB) sieht. Und diese wiederum bilden
die ersten sog. Dark Matter Halos (d.h. massive Zusammenballungen der nur gravitativ wechselwirkenden
Dark Matter). In diese DM Halos fällt (nachdem sich der 'undurchsichtige Nebel des CMB' gelichtet hat)
die 'normale' (baryonische) Materie hinein und bildet
Sterne. Und durch Reprozessierung (Supernovae, Metallanreicherung) schliesslich Galaxien. Vorausgesetzt man
benutzt den richtigen Typus dunkler Materie, nämlich die sog. CDM = Cold Dark Matter ('cold', weil die Teilchen schwer und
daher relativ langsam = kalt sind), dann verschmelzen (Merging) die
(anfangs noch kleinen) DM Halos mit den darin befindlichen Galaxien zu (immer) grösseren Einheiten
(bottom-up, d.h. klein + klein → gross, Hierarchical Clustering, Gx-Gruppen und Cluster). Schliesslich bilden sich
Galaxien-Cluster, die in ihrem Inneren immer massereichere Galaxien beheimaten (sog. cD oder BCD Galaxien)
und ihre Umgebung mehr und mehr kannibalisieren. Ein sehr gutes Beispiel dafür ist etwa der Cluster um das Monster NGC 6166.
Moderne Computer-Simulationen wie die Millennium-Simulation
von Springel et al 2005 zeigen (rechts das
Titelbild von Nature Bd.435, 2005 © Nature Pub. Group), dass man die beobachtete Struktur der LSS heute im Computer ziemlich gut 'verstehen' kann, wenn man die
Anfangsbedingungen an die am CMB (3K-Strahlung) gemessenen Parameter (Stärke und Grösse der initialen Fluktuationen etc.) anpasst,
d.h. ein Standard-Universum mit 70% Dunkler Energie, 26% CDM und 4% Baryonen (heutige Zusammensetzung bei z = 0) annimmt.
Wie aber sieht die LSS in unserer Umgebung in der Realität wirklich aus ?
Pionierarbeiten auf dem Gebiet der LSS Beobachtung gab es seit Mitte der 1970er Jahre
(u.a. Gregory + Thompson 1978 (GT78),
L'Apparent, Geller + Huchra 1986 (AGH86)). Vor allem
AGH86 haben in Ihrem Paper 'A Slice of the Universe' die oben genannten Strukturen (cosmic web, cluster, voids) in
der Umgebung des Coma-Clusters eingehend qualitativ + quantitativ untersucht.
Ihre zentrale Grafik zeigt ein sog. Wedge Diagram, also einen tortenstück-artigen Schnitt durch den 3D-Raum
in der Nähe des Coma Clusters. Als Azimut-Achse
ist die Rektaszension am Himmel aufgetragen. Die radiale Entfernung wurde durch spektroskopische Messungen der Redshift v (rechte Skala in km/sec) bestimmt
(Umrechnung auf Entfernung d mit der Hubble-Konstante H0: d = v / H0).
Wir als Beobachter bzw. die Milchstrasse liegt bei v = 0 in der unteren Spitze der Grafik.
Bekannt ist die AGH86 Grafik vor allem durch den sog. Running Man (als LSS-Struktur) im Zentrum: der Coma
Cluster (Körper des Mannes bei α = 13h und v = 6800 km/sec) ist offensichtlich ein
naher, grosser Cluster mit web-artigen Fortsätzen nach Osten und Westen (= Arme, bei etwa gleicher Redshift oder Entfernung),
aber auch mit zwei Ausläufern in Richtung auf unsere Galaxis zu (Beine), die von einigen interessanten Galaxien-Gruppen markiert werden.
Man beachte auch die offensichtlichen Leerräume (Voids) !
LSS Galaxien-Verteilung in der Umgebung des Coma-Clusters (Wedge Diagram)
Quelle: L'Apparent, Geller + Huchra 1986 (AGH86)
(Layout + Referenz von mir angepasst)
Um die LSS am Himmel visuell nachzuvollziehen, habe ich mir
aus dem GT78 Paper als repräsentativen Ausschnitt die wichtigsten Gruppen und Cluster
in der Umgebung des Coma Clusters rausgesucht - dieser Ausschnitt erfasst den Körper des Running Man, sowie dessen 'rechten Arm' + 'rechtes Bein'.
Die entsprechenden Cluster und Gruppen will ich in den nächsten Monaten nun nacheinander durchbeobachten. Interessierte Kollegen
finden auf meiner LSS Projektseite (work in progress) die entsprechenden Objekte
mit allen Informationen für die konkrete Nachbeobachtung.
Natürlich habe ich es heute Nacht nicht geschafft, alle diese Gruppen/Cluster durchzubeobachten, aber einige der interessantesten Objekte sind nun
schon dabei (und unten gelb markiert).
LSS Galaxien-Verteilung in der Umgebung des Coma-Clusters (Wedge Diagram)
x-Achse = Rektaszension, v auf der linken Skala in Einheiten von 1000km/sec,
d auf der rechten Skala in Mpc via d = v / H0 (Layout + gelbe Markierungen von mir angepasst)
Quelle: Gregory + Thompson (1978) (GT78)
(7) Coma Cluster = NGC 4884/4874 et al. (GX-CL, Com)
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Ein zumindest kurzer Blick auf den Coma-Cluster muss eigentlich am Anfang der gesamten Beobachtungen stehen. Schliesslich haben
sich die wichtigsten historischen Papers auf dem Gebiet der LSS
(u.a. GT78,
AGH86)
mit diesem Cluster und seiner Umgebung intensiv befasst. In meinem LSS Projekt will ich ja
von Coma ausgehend die (nähere) LSS im Raum abscannen und mich anhand
der Papers an ihren Features entlanghangeln (siehe die Einleitung oben). Hier
eine Karte der Umgebung mit den heute beobachteten Gruppen:
Verteilung der LSS Galaxien und Gruppen um Coma
Grenzgrössen: Gx 14.5 v-mag, Sterne 8.5mag
(Karte erstellt mit Guide 8.0, click zum vergrössern !)
Coma steht (auch dank seiner hohen Deklination) mittlerweile hoch im Südosten und auch der Himmel hat sich jetzt auf ca 21.2...21.3mag/sas
verbessert (nicht berauschend, aber es muss eben auch so reichen :-). Beim heutigen Übersichtsblick auf den Cluster fällt mir vor allem
auf, wie weitläufig die Galaxien verstreut sind. Ich muss, selbst mit 0.8° Feld mehrere GF hin und herschwenken ... und immer wieder tauchen
neue Clustergalaxien auf ! Ich belasse es heute bei diesem Schwenk und hebe mir genaueres Scannen des Clusters für eine spätere, intensive
Coma-Nacht auf ...
Klar ist, dass Coma einer der schönsten Cluster in unserer Umgebung ist. Mit seiner Redshift von ca 6800 km/sec
(entspricht grob 6x Virgo-Entfernung) liegt er bei d = 300 Mio ly Entfernung zur Galaxis (H0 = 75km/sec). Aber man bedenke:
das bedeutet nur z = 0.02 ! - für Kosmologen ist das allernächste Nachbarschaft ! (Amateur) Quasarbeobachter,
deren Lieblinge ja bei bis zu z = 3 liegen, werden also die Nase rümpfen.
In Coma sehen wir aber 'normale Galaxien' und eben keine Quasare
- letztere erreichen üblicherweise bis Mv = -29mag (gelenste Extremobjekte gar bis -31mag / Achim Strnad - danke für den Hinweis !).
Normale Galaxien zu beobachten wird jenseits von v = 10.000 km/sec Redshift selbst mit einem 20" Teleskop schnell schwierig.
Tatsächlich braucht man für jeden Faktor 2 in Entfernung einen Faktor 2 an Teleskopdurchmesser. Zur Veranschaulichung:
Coma Galaxien sehen in 20" etwa so aus wie Virgo-Galaxien in 3" ! Wollte man die Galaxien in der LSS viel weiter hinaus so sehen wie
Virgo-Galaxien in 3'' (was ja nicht wirklich berauscht), so braucht man schnell ein Teleskop mit 40'' = 1m (für v = 15.000 km/sec, d = 650 Mio ly) oder
80'' = 2m (für v = 30.000 km/sec, d = 1.3 Mrd ly).
So schön 40- und 80-Zoll-Teleskope sind (z.B. das Calar Alto 1.23m oder 2.2m), sie fühlen sich eben schon etwas
unhandlich an beim In-den-Keller-Tragen zuhause... :-) Also gebe ich mich erstmal zufrieden mit der LSS in Coma und Umgebung... !
Feldgrösse 60' x 60',
© STScI Digitized Sky Survey
(8) NGC 3801 Gruppe (GX-GRP, Leo)
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Die erste neue Gruppe ist die um NGC 3801 (im Zentrum des DSS Bildes), mit den (von GT78 gesicherten) Mitgliedern
NGC 3806, 3802, 3790 (ca
1.5° entfernt gibt es noch weitere Mitglieder bei gleicher Redshift, aber die beim nächsten Mal).
Die Redshifts der ca 18' grossen Gruppe liegen alle bei ca 3250 km/sec, was d = 45.3Mpc = 150 Mio ly und einem
Entfernungsmodul (m-M) = 33.3mag entspricht. NGC 3801 ist visuell m = 12.1mag hell, also absolut ca M = -21.2v-mag,
was in der Leuchtkraft grob der Milchstrasse oder Andromeda M31 vergleichbar ist. Die Gruppe liegt von
Coma ausgehend im westlichen LSS-Ausläufer ('rechten Bein'), der sich von Coma in Richtung unserer Galaxis hinzieht -
und dabei grob auf halber Entfernung zu Coma (siehe die GT78 Grafik oben).
NGC 3801 et al liegen ca 4° NW von Denebola über dem Hinterleib des Löwen.
Im Teleskop sind die 4 Hauptmitglieder bei genügend Vergrösserung (9mm, 225x, 22') alle einwandfrei zu sehen. NGC 3801 ist
ellipsenartig (S0), 3806 - wenn man es weiss -
eine schwächere (13.8v-mag) face-on Spirale (von deren Struktur ich aber absolut nichts sehen kann :-). 3802 und 3790 sind
ebenfalls gut zu sehen und erkennbar edge-on Spiralen.
Feldgrösse 30' x 30',
© STScI Digitized Sky Survey
(9) NGC 4005 Gruppe (GX-GRP, Leo)
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Die Gruppe um NGC4005 ist schon aufgrund ihrer charakteristischen Anordnung/Form ein Hingucker.
Die Galaxien liegen auf den Seiten eines Dreiecks (28' misst die längste Seite), auf dessen SW-Seite
auch noch ein 8mag Stern steht. Das ganze Schauspiel findet grob halbwegs zwischen δ Leo
und β Com statt. Der Coma-Cluster steht am Himmel ca 8° entfernt.
Zur Gruppe gehören nach Redshift-Kriterium (zentriert um v = 4400 km/sec, d = 59 Mpc = 190 Mio ly) folgende Objekte:
IC746, NGC 3987, 3993, 3997, 4005, 4015, 4018, 4022, 4023. Sie liegt damit bei etwas höherer Redshift als die beiden
anderen Gruppen des heutigen Abends. Auf dem Wedge Diagramm könnte man jetzt spekulieren: ist NGC4005 et al vielleicht
(in unsere Richtung) schon ein Fortsatz des Abell 1367 clusters ? (v = 6800km/sec)
Man kann einwenden: A1367 ist doch am Himmel doch satte 7° entfernt ?! In der Entfernung von NGC4005 sind das 7 Mpc = 23 Mio ly
Distanz tangential und mindestens ca 10 Mpc = 32 Mio ly radial (ablesen aus dem Wedge Diagram oben), macht im 3D-Raum
12 Mpc = 40 Mio ly.
40 Mio ly klingt nach viel ! - ist ja ähnlich weit wie von uns zum Virgo Cluster ! Aber man muss bei Beobachtung der LSS kosmologisch
denken ! Nehmen wir Virgo: auch die Milchstrasse (und natürlich die ganze LG = Lokale Gruppe !) fällt ja 'runter'
auf den Virgohaufen, das ist der sog. Virgo Infall.
Virgo Infall bedeutet also: zwischen LG und Virgo herrscht kein freier, kosmologischer Hubble-Flow,
die LG ist schon 'angekoppelt an Virgo'.
In kosmologischen LSS-Dimensionen gedacht, können solche Strukturen - wie hier jetzt NGC4005 Grp und A1367 - also durchaus schon
(gravitativ + von der Bewegung her) zusammenhängen , selbst über diese Entfernung - daran muss man sich gedanklich erstmal gewöhnen ! :-)
Irgendwie verändern solche Überlegungen die Sichtweise auf Galaxien, Gruppen und Cluster !!!
Zur Beobachtung: interessant ist natürlich schon der Überblick über diese doch relativ
grosse (0.5°) Gruppe, aber auch die Teile sind klasse anzusehen: z.B. das Trio NGC 3987, 3993, 3997 an der Westspitze des
Gruppen-Dreiecks. Ich fahre mit 9mm die ganze Form ab.. klasse ! ...am deutlichsten kommen dabei meist die edge-ons raus.
Diese Gruppe ist ein tolles Objekt - nur gibt es eben leider wenig Chance auf Details in den Galaxien (3-4 x Virgo Entfernung) ! Schauen wir
mal beim nächsten Kandidaten, der ist Δv = 1000km/sec näher ...
Feldgrösse 45' x 45',
© STScI Digitized Sky Survey
(10) NGC 3995 Gruppe = Arp 313abc (GX-GRP, UMa)
→ CrossRef
Das DSS-Bild der NGC3995 et al Gruppe (25' Durchmesser) verspricht beim näheren Hinsehen sofort etwas sehr Interessantes:
der Namenspatron NGC 3995 und nur 4' NW davon NGC 3991 - beide sehen reichlich 'pec' aus - wahrscheinlich Starburster
(yap, und das sind auch tatsächlich IRAS Galaxien !).
Ich schätze die Dinger hat Herr Arp katalogisiert, oder ? ... Recherche bei DSB ... na also: NGC 3995 = Arp 313c
und NGC 3991 = Arp 313a. Die Ergänzung des nördlichen Trios (westlich des hellen 6.4mag Sterns) ist NGC 3994 = Arp 313b, sie sieht aber völlig regelmässig
aus im DSS. Dazu gesellt sich dann im Süden die ebenfalls sehr schöne edge-on NGC3966. Die (redshift-gesicherten) Mitgleider sind
also: NGC 3995, 3994, 3966, 3991, alle um Redshift v = 3400 km/sec, d = 45.3Mpc = 148 Mio ly und Distanzmodul (m-M) = 33.2mag.
GT78 beschreiben NGC 4004, 4008, 4016, 4017 als zugehörig zur NGC3995 Gruppe (reine Redshift), aber die sind 4° entfernt am
Himmel (ich schau sie mir als NGC 4008 Gruppe das nächste Mal an :-).
Hier für mehr Detail eine Ansicht von Arp 313 im Arp Atlas.
Die Beobachtung macht echt Spass. Tatsächlich kann man an 3995 die Strukturen ansatzweise sehen (natürlich nicht so
klar + punktiert wie im DSS!). Ich meine, einen Hauch des NO-Auswurfs (als simple Verbreiterung, diffus im NO) zu sehen, die vielen Knoten des DSS
schwimmen visuell aber ineinander und ich sehe sie eher als langgestrecktes Etwas (Einzelknoten sehe ich nicht wirklich - ich wünsche mir definitiv besseres Seeing !)
Die 3991 zeigt mir einen Helligkeitsgradienten entlang der langgestreckten Struktur - im NO ist es merklich heller. Geul !!! Schön ist dann aber auch die edge-on im
Süden, eine Miniausführung von NGC4565... Echter Rock 'n' Roll diese Gruppe !
Was die LSS-Raumstruktur angeht, liegt NGC 3995 am Himmel deutlich weiter im Norden (δ = +32°, also noch oberhalb des γ - β Com Querbalkens des
Coma-Sternbilds). Von der 3801 Gruppe, die im Redshift-Richtung (Wedge Diagram) benachbart scheint, ist sie am Himmel immerhin 15° entfernt,
das sind dort oben 12 Mpc = 40 Mio ly - d.h. fast die Entfernung MilkyWay/Virgo liegt zwischen ihnen im Raum.
Feldgrösse 45' x 45',
© STScI Digitized Sky Survey
Klasse Objekte, aber: ich bin müde, es ist kalt, das war's ! Jetzt noch Einpacken, ich habe ja noch 1h zu fahren. Oh Mann,
was ein Wahnsinn. Erst um Viertel nach 2h liege ich endlich im Bett und entschlafe seelig ... im Bewusstsein
vieler gross-skaliger Zusammenhänge !
PS: ... und damit schöne Grüsse an alle Kollegen vom DSM ! :-)
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