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Beobachtungsbericht   20./21.03.2009    (02/2009)
Hiking on the UMa Track   (LSS I)

    Beobachter: P. Surma
    Datum/Zeit: 20./21.03.2009, 22:00 - 3.00 MEZ
    Ort: SCHL
    Kollegen: Thomas Schmitt, Steffen Hoffmann, Thomas Dietz, Karen Kocherscheidt, Andreas Zimber

    Sonne: Untergang 18:39 MEZ
    Astronomische Dämmerung (Ende): 20:27 MEZ
    Mond: Aufgang 4:15h MEZ
    Phase 30% abnehmend, -9mag

    Wetter: Nach Schönwetterwolken tagsüber, wolkenlos + niedrige Luftfeuchte
    Temperatur: bis -5°C
    Atmosphäre: Seeing hervorragend
    Himmel: bis 24h: 21.4mag/sas, danach bis zu 21.65mag/sas (SQM-L)

    Teleskope: 20" f/4 Dob + 6" f/5 Newton Bigfinder,
    3" f/6.7 APO, 10x50 Feldstecher
    Montierung: Dobson (manuell), Azimutal-Montierungen
    Filter: Astronomik UHC
    Okulare:
    (Dob /
    Finder )

    f 31mm 20mm 13mm 9mm 5mm
    AP 7.8mm 5mm 3.3mm 2.3mm 1.3mm
    V 65x 100x 155x 225x 400x
    Feld 1.25° 0.8°
    50'
    0.5°
    30'
    0.36°
    22'
    0.2°
    12'
    Maglimit 15.8m 16.5m 16.9m 17.1m 17.0m






    AP 6.2mm 4.0mm 2.6mm 1.8mm 1.0mm
    V 24x 38x 58x 83x 150x
    Feld 3.4° 2.2° 1.4° 1.0° 0.55°
    33'
    Maglimit 13.6m 14.1m 14.5m 14.7m 14.9m


    Objekte: Diffuse Emmisionsnebel (Neb):
          M42
    Dunkelnebel (DN):
          -
    Galaxien (Gx):
          M108, M106, M51, M81/82, NGC3718 = Arp214, NGC4088 = Arp18, NGC4157, NGC4449
    AGN (Quasare, Seyfert, BL Lac):
          -
    Cluster (GxCl) + Gruppen (GcGrp)
          Coma-Cluster, M81-Gruppe, Hickson 56
    Planetarische Nebel (PN):
          M97, M57
    Planeten + Monde:
          Saturn + Monde
    Sternhaufen:
          M45, M44, M13
    Sterne:
          -
    Anderes:
          -


    Bilder der Objekte: © STScI Digitized Sky Survey.    Alle Daten + Zeiten (in MEZ) aus Guide 8.0.
    Klick auf die Nummer in der Übersicht springt zu dem Objekt. Klick auf das CrossRef -Symbol vor jedem Objekt springt auf eine Seite mit zusätzlichen Links + Infos. Maglimits der Okulartabelle sind gerechnet  für optimale Bedingungen im Zenit und fst 6.5m. Meine subjektiven Highlights der Nacht sind gelb markiert.


UMa Track - Galaxienverteilung (<12.7mag) in UMa, CVn, Com, Vir
(erstellt mit Guide 8.0)



















Übersicht

    (1)   Showtime
    (2)   Der North Galactic Pole (NGP)
    (3)   Die Supergalactic Plane (SGP)
    (4)   NGC 3718 = Arp214 und Hickson 56 (Gx, UMa)
    (5)   M109 (Gx, UMa)
    (6)   NGC 4088 = Arp18 (Gx, UMa)
    (6b)   SN 2009dd in NGC 4088 (SN/Gx, UMa)
    (7)   NGC 4157 (Gx, UMa)
    (8)   M106 (GX, UMa)
    (9)   NGC 4449 (Gx, UMa)

Diskussions-Threads zum Bericht

Einführung

    Es muss so um 1975 gewesen sein, als ich es leid war, mit miesen Sternkarten aus Büchern nach 'schwächeren' Objekten am Himmel Ausschau zu halten. Ich kaufte mir den Atlas Coeli 1950.0 von Antonin Becvar, der mir endlich Sterne bis 7.5mag und viele DeepSky-Objekte des ganzen Himmels auf 17 gross-formatigen (A2-) Karten zeigte. Erst damit konnte ich wirklich daran gehen, schwache Objekte und Galaxien am Himmel zu finden. Besonders faszinierend fand ich Karte IV - die Gegend um den Grossen Wagen. Diese Gegend war natürlich von den hellen UMa-Sternen her sehr markant, sah aber sonst eigentlich eher langweilig und sternleer aus. Der Hintergrund hinter den Sternen aber schien wirklich voller Galaxien zu sein, und dabei noch in einer langgestreckten Struktur - Richtung Süden in den Virgohaufen hineinreichend - angeordnet. Leider kam ich mit meinem damaligen Equipment (2" Refraktor f/18 und 7x50 Feldstecher) nicht allzu weit - am 9.6.1977 sah ich damit zum ersten Mal M51 - als matschiges Flecklein. Und M51 war noch eine der prominentesten Galaxien in der Gegend...

    Im Bewusstsein jetzt endlich mit etwas mehr Öffnung bewaffnet zu sein, suchte ich mir kürzlich aus Guide ein paar interessante Galaxien in genau dieser Gegend heraus - fantastisch wie viele Objekte es in dieser Region gibt !!! Man kann sich daraus ein ganzes Beobachtungsprogramm zum Entlang- und Durch-Hoppen zusammenstellen. Um alle Objekte im Zusammenhang wiederzufinden und mich daran entlang zu hangeln, machte ich mir in meine CrossRef-Liste bei jedem Objekt einen Vermerk:

    Ich nannte es den UMa Track © :-) ...

    ... und auf diesem (noch eher wenig ausgetretenen Pfad) wollte ich heute die Supergalactic Plane entlang hoppen ! Vorher gab es zum Warmsehen noch ein bisschen Showtime für meine VHS-Kollegen, bevor es dann hier richtig losgeht.


Beobachtungen

    (1) Showtime

    CrossRef
                           
    Als ich gegen 21:15 am Platz ankomme, herrscht schon Hochbetrieb. Thomas (S.) ist an seinem Dobson schon beim Justieren, Steffen und Thomas D. aus dem VHS-Kurs sind auch schon da und haben eigene Geräte mitgebracht. Kurze Zeit später treffen Karen + Andreas nebst Cerberos ein. Geplant ist heute - ausser der Kursreihe - ein bisschen erstes Spazieren am Himmel mit den kleinen Geräten aber auch meinem 20" Dob. Später (wenn die VHS-Kollegen Frostbeulen bekommen haben, darauf spekuliere ich :-) kann ich mich sicher noch meinem eigenen Programm (s.u.) widmen ... und so kommt es dann auch... :-).

    Die Verhältnisse in SCHL sehen heute recht gut aus. Kein Hochnebel, schon jetzt zu Beginn recht dunkler Himmel: 21.4 mag/sas. Viel besser ist es im Nordschwarzwald auch nicht ! Auch die Temperatur ist erträglich und der Hauptvorteil, wir haben recht trockene Luft (selbst am Ende der Nacht gibt es später kaum Reif auf den Tuben) !

    Wir fangen an zu beobachten. Steffen + Thomas springen immer zwischen dem Dob und Ihren eigenen Teleskopen hin und her. Karen + Andreas sind erstmal begeistert vom 'fantastischen Himmel', den man so natürlich aus Downtown Heidelberg nicht kennt. Ein paar Sternbilder müssen auch noch erklärt werden, und der Saturn wird vorab identifiziert...

    • M45 Plejaden (OC, Tau) - Mit APO + Feldstecher machen sich Karen + Andreas erstmal an ein paar einfache Übungsobjekte zum Eingewöhnen: also an die Plejaden und die - von Karen besonders geliebten Aldebaran + Beteigeuze - ein erster Hang zum oberen/roten Ende des HRD wird deutlich...
    • M42 Orionnebel (Neb, Ori) - Bevor uns M42 noch in den Buschreihen 50m entfernt untergeht, geht es als erstes zum Orion. Er hängt schon tief und ist - vor dem am Horizont aufgehellten Himmel - nicht mehr sooo beeindruckend. Zur Kontraststeigerung kommt gleich ein UHC-Linienfilter in den Strahlengang. Dennoch kann man schön das Trapez und das helle Gas sehen, vorgelagert der Staub, der Sterne + Gas verdeckt.
    • Saturn mit Monden (Leo) - Ein Schaustück des Abends ist natürlich Saturn. Im Dob sieht er schon im 20mm Okular (100x) klasse aus. Er ist von einigen 'schwachen Sternchen' umringt, alles Monde (siehe Bild unten, v.l.n.r.): Thetys (10.1mag), Mimas (12.8mag), Titan (8.2mag, etwas erhöht rechts oberhalb der Ringebene, schon scheibenförmig gezeigt), Enceladus (11.6mag), Dione (10.3mag) und Rhea (9.6mag). Saturn selbst ist 0.5mag hell und hat derzeit einen Durchmesser von 20" (120.500 km), die Neigung der Ringebene liegt im Moment bei nur noch 3° gegen die Sichtlinie. Am 4. September werden wir auf der Erde den Ring genau in Kantenstellung sehen - genauer gesagt: eben 'NICHT sehen', denn sie sind nur wenige 10km dick und dann selbst für das Hubble Space Telescope unsichtbar (wenige 0.001arcsec , Auflösung HST ca. 0.01arcsec) ! Hier ein schönes Wikipedia-Bild, das den Wechsel der Ansicht ins Ringsystem mit den Jahren zeigt.


      Saturn mit Monden, Feldgrösse ca. 3' x 1'
      Durchmesser Saturn ca 20", Grafik erstellt mit Guide 8.0
      (zum Vergrössern Bilder anclicken !)


    • M44 Praesepe (OC, Cnc) - ist auch ein nettes Vorzeigeobjekt. Man sieht ihn schon mit blossem Auge auf halbem weg zwischen Leo und Zwillingen. Letztlich ist er im BigFinder am schönsten - zu hohe Vergrösserung schadet hier nur...
    • Alcor + Mizar (DS, UMa) - der Doppelstern-Klassiker, leicht zu finden, und dann auch noch 3fach.
    • h + χ Persei (2x OC, Per/Cas) - - der Sternhaufen-Klassiker, ebenso leicht zu finden. Eindrucksvoll auch noch im Dob, wie viele Sterne sichtbar sind !
    • M13 (GC, Her) - ein eindeutiger Hingucker ! Bei mittlerer Vergrösserung im Dobson - obwohl er gar noch nicht so hoch steht - brutal. Wie auf einem Foto !
    • M51 Whirlpool Galaxie (Gx, UMa/CVn) - hm, sagt Karen, was ist das denn ? Vielleicht dies, oder jenes oder gar noch was anderes ? Die Frage aber ist erstmal: was SIEHT man ?! Die Spiralarme sind dann aber doch gut auszumachen, oder etwa nicht ? :-)
    • NGC4565 - Nadelgalaxie (Gx, Com) - jetzt das Ganze mal von der Seite gesehen: edge-on (M51 war gerade face-on). Schön wie der Kern durchscheint und der Staub vor der Scheibe die Galaxie teilt.
    • M97 Eulennebel (PN, UMa) - als Rausschmeisser agiert schliesslich der Eulennebel. (Auf den ersten Blick) strukturlos ja, aber dennoch physikalisch (späte Sternentwicklung, Massenverlust, Anreicherung des ISM) ein interessantes Objekt. Thomas denkt jetzt schon an seinen Eskimonebel ...

    Es hat - hoffe ich - Spass gemacht ! Aber jetzt sind die Zehen (und auch der Inhalt von Karen's Wärmflasche ?) gefroren. Die VHS-Kollegen machen sich auf den Heimweg und hoffen bald auf den nächsten Beobachtungsabend.


    M45 Plejaden, Feldgrösse 78' x 60', © STScI Digitized Sky Survey



    M42 Gesamtansicht, Feldgrösse ca 90' x 90',
    Süden recht oben, Osten rechts unten, Farbbild © PS 2006



    M44 Praesepe, Feldgrösse 60' x 60', © STScI Digitized Sky Survey



    h+ χ Persei, Feldgrösse 60' x 60', © STScI Digitized Sky Survey



    M13 (Her), Feldgrösse 30' x 30', © STScI Digitized Sky Survey



    M51 Whirlpool, Feldgrösse 30' x 30', © STScI Digitized Sky Survey



    NGC4565 Nadel, Feldgrösse 30' x 30', © STScI Digitized Sky Survey



    M97 Eulennebel, Feldgrösse 30' x 30', © STScI Digitized Sky Survey


     

    (2) Der North Galactic Pole (NGP)

    CrossRef
                           
    An mir sind 2 Stunden beobachten nicht spurlos vorüber gegangen, also snacke ich erstmal ein paar Kekse und eine grosse heisse Tasse Schwarztee, um mich auf das Kommende optimal vorzubereiten. Rundum sind die Lichter der Dörfer deutlich schwächer geworden und ich messe nochmal den Himmel: Wahnsinn ! - 21.65mag/sas sind reproduzierbar immer wieder zu messen (Durchschnitt der dunkelsten Himmelsstelle, zenitnah). Auch das Seeing ist sichtlich hervorragend: erst bei 5mm Okularbrennweite (400x) werden die Sterne ganz leicht flächig, vorher sind es perfekte Punkte, ohne jedes Flackern. Wir haben heute hier also besseren Himmel (und besseres Seeing) als oft im Nordschwarzwald - fast schon Alpenverhältnisse ! - Thomas ist ebenfalls begeistert - eine Galaxien-Nacht par excellence !

    Karen hat kurz vorm weggehen noch gefragt, wo denn eigentlich die Milchtrasse sei. Eine berechtigte Frage, weil man sie ja bei diesen Verhältnissen gut sehen müsste. Jetzt gegen 0h Mitternacht steht sie aber ganz tief im Norden, 'liegt' quasi auf dem Nordhorizont. Blickt man dagegen nach Süden, so steht in 65° Höhe über dem Südpunkt das unscheinbare Sternbild Coma. In Coma liegt der NGP, der sog. North Galactic Pole (bei Koordinaten 2000.0: α=12h51m26s δ=27°07'42'', siehe Wikipedia). Das ist also sozusagen der 'Polarstern der Galaxis', um den sich die Galaxis in 220 Mio Jahren einmal dreht. Und: weil wir also den NGP so gut sehen können, schauen wir in dessen Umgebung - ziemlich ungehindert durch die Objekte und den Staub der Milchstrasse - senkrecht aus der galaktischen Scheibe hinaus. Die Spiralarme und die Scheibe der Galaxis liegen also nur ca 25° (nach Süden) gekippt gegen den Erdboden unter meinen Füssen - und ich sehe senkrecht hinaus in den freien extragalaktischen Raum. Und von dort draussen schaut der Virgo-Haufen - also M87 et al. - face-on auf (mich und :-) unsere Milchstrasse (weil von 'oben', also als offene Spirale). Der Perseus-Cluster - d.h. NGC 1275 et al. - dagegen liegt auf dem galaktischen Äquator und sieht edge-on auf unsere Galaxis ('von der Seite'). Sich das jetzt an Ort und Stelle klar zu machen, ist schon echt aufregend (für Leute wie mich) und wirkt irgendwie bewusstseinserweiternd :-).

    Diese Konstellation jetzt im Frühjahr ist ja letztlich auch der Grund, warum diese Jahreszeit als ausgesprochene Galaxienzeit gilt. Bei α =12h, welche jetzt um Mitternacht (zum Frühlingsanfang) kulminiert, liegt ja der Virgohaufen, und nur 2 Grad ONO des NGP befindet sich der Comahaufen (gemeint ist der Galaxienhaufen um NGC4884/4871, und nicht - wie z.B. im Karkoschka - der lockere Sternhaufen südlich von γ Comae !)

.

    (3) Die Supergalactic Plane (SGP)

    CrossRef
                           
    Wenn man sich das Gebiet nördlich des NGP bis UMa genauer ansieht, so fällt auf, dass sich dort eine deutliche Galaxienhäufung in UMa/CVn findet (siehe Einführung). Hier will ich heute entlang meines UMa Tracks entlang hoppen.

    Von der Physik her fragt man sich aber: Ist das eigentlich ein weiterer Cluster, wie Virgo oder Coma ? Wo liegen diese Galaxien im Raum - entfernter oder näher als z.B. Virgo ? Welcher Natur ist diese recht offensichtliche Struktur überhaupt ? Um dies zu untersuchen, fertige ich mir Karten der Gx-Verteilung um den NGP mit verschiedener Grenzgrösse (11.5 - 15.5mag):


    Gx-Verteilung um den NGP in galaktischen Koordinaten
    (Zum Vergrössern anclicken!)

    Wenn man hier die Grenzgrösse langsam erhöht (click neben Limit), sieht man besonders mit Limit <13.5mag die besagte lineare Struktur in der Galaxienverteilung : eine (etwa) durch den NGP laufende Linie mit Gx-Überhäufigkeit, allerdings vor allem für helle Galaxien < 13.5mag. Sie beginnt schon südlich von Virgo, läuft an Coma vorbei und durchquert dann nach Norden Canes Venatici hinein nach Ursa Major. Diese Struktur ist als die Supergalactic Plane (SGP) bekannt. Sie wurde schon vor 200 Jahren von William Herschel bemerkt, in neuerer Zeit aber erstmals von de Vaucouleurs (1953) genauer beschrieben. Von Lahav et al. (2000) hat es erstmals solide quantitative Analysen dazu gegeben (die Koinzidenz zwischen NGP und Supergalactic Plane ist natürlich reiner Zufall und hat keine phys. Relevanz).

    Dass die SGP vor allem bei <13.5mag Limit sichtbar wird, zeigt schon, das es sich um eine relativ nahe Struktur handeln muss. Der Virgocluster (untere Hälfte der Karte) erscheint deutlich schon bei gleichem Limit, Coma (Bildmitte, direkt link oberhalb des NGP) tendenziell erst 1mag tiefer (Limit 14.5mag). Stichpunktartig habe ich auch die Redshifts der von mir ausgesuchten Galaxien (dies erzeugt allerdings einen Bias für helle Gx) durchgesehen: sie liegen alle in einer Distanz bis 1100 km/sec, also maximal bis Virgo-Distanz (mit Virgo-Infall entsprechend ca 20Mpc, 60 Mio Lj). Es ist klar, dass die SGP eine Struktur des (kosmologisch gesehen) nahen extragalaktischen Raums ist. Der Virgocluster gilt im Übrigen als das Zentrum der SGP und Virgo + Umgebung werden manchmal auch als Local Supercluster bezeichnet.

    Das alles mag manchem etwas akademisch erscheinen - aber man muss doch sagen: man kann diese Struktur wirklich sehen, sie fällt auf Galaxienkarten deutlich auf. Ausserdem kann man ohne Probleme Objekte darin beobachten. Die Vorstellung diese riesigen Supercluster (einen Cluster von Clustern) mit mehr als 60° Ausdehnung am Himmel (rund 100 Mio Lichtjahre) über unseren Köpfen hängen zu haben ist jedenfalls schon ein Thrill.

    Time to hike the UMa Track ... :-)
     

    (4) NGC 3718 = Arp214 und Hickson 56 (Gx, UMa)

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    Mein UMa Track beginnt direkt unterhalb des Wagen-Kastens: auf 1/3 der Strecke zwischen γ (li. u.) und β UMa (re. u.) steht der 5.6mag Stern HD100615, in dessen Nähe man schon die ersten 3 Galaxien mit 12mag (NGC3738, 3738, 3756) sieht. Mein Weg führt mich aber noch 1.7° südlicher zu NGC 3718 = Arp 214, einer pekuliaren SB Galaxie. Sie wirkt im DSS nicht gerade extrem prominent, verspricht aber interessante Strukturen. Nur, ob diese sichtbar sein werden ? Aber besser als 21.6mag/sas Himmel und Zenitstellung wird man wohl selten bekommen ...

    Wow ! Ich bin total baff wie gut die Galaxie zu sehen ist, ich juble schon zu Thomas hinüber er solle kommen und sich das mal ansehen ! Tatsächlich ist NGC 3718 (mit 11.6m) sehr gut zu erkennen. Die langen Arme nach N und S mit niedriger FH kann ich zwar nicht sehen, aber die grundsätzliche Form sehr gut. Ausserdem ist im 9mm das feine Staubband durch den Kern detektierbar. Bei direktem Sehen kommt und geht es immer wieder, aber es bleibt reproduzierbar wiederzuerkennen. Klasse ! Die Ansätze der Arme nach N und S sind bei indirektem Sehen dann auch gerade noch zu sehen. Schöne Details für eine Galaxie, die grob in Virgo-Entfernung (v=1100km/sec, also nah am Zentrum der Supergalactic Plane) steht.

    Südlich der Galaxie finde ich noch ein paar kleine Galaxien (um die 15mag und schwächer schätze ich) - was ist denn das ? Zuhause stellt sich später heraus: das ist Hickson 56. In Reiner Vogel's Hickson-Katalog kann man sich das prima ansehen. Die Gruppe liegt weit im Hintergrund der 3718, bei v = 8000 km/sec (grob 7xVirgo) und besteht aus den 5 Komponenten a-e, mit B-Helligkeiten zwischen 14.8 und 16.8mag (V-Helligkeiten sollten grob 0.6mag heller sein). Auch die recht schwächliche (weil in N-S-Richtung langgezogene) a-Komponente kann ich gut ausmachen, sie dürfte um v = 15.4mag besitzen. Die kleinen Komponenten im N sehe ich nicht definitiv alle einzeln, aber es ist klar, dass da mehrere Galaxien in einer Reihe stehen. Eine der lieben Kleinen (PGC 35620 = UGC 6527 = MK 176) ist übrigens eine Seyfert Galaxie.

    Der grosse Wagen steht jetzt genau über unseren Köpfen und ich muss mit dem Dob beim Positionieren schon ganz schöne Pirouetten drehen (Polstelle der Azimutalmontierung). Während ich die Objekte suche, dreht sich dadurch andauernd die Orientierung des Bildfelds am Notebook ...


    NGC 3718, Feldgrösse 30' x 30', © STScI Digitized Sky Survey


    (5) M109 (Gx, UMa)

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    Ich springe 3° nach Osten, rüber zu γ UMa (Kasten li.u.). Nochmal ein halbes Grad weiter steht der 10.6mag-Klopper M109. Da ich bisher noch keine Balkenspirale wirklich eindeutig sehen konnte, versuche ich hier mein Glück. Im DSS sieht der Balken ja sehr prominent aus. Visuell sieht das nicht ganz so kontrastreich aus, aber der Balken ist durchaus zu erkennen. Man sieht sehr deutlich, dass der Positionswinkel des Innengebiets relativ zur äusseren Scheibe (am besten bei Bewegung sichtbar) um 45° verdreht ist. Ausserdem erscheint das Zentrumsgebiet deutlich langgestreckt. Indirekt sehe ich auch vage Andeutungen der Ripples, also der 2 Arme, die man man radial nach aussen durchquert (im DSS deutlich) - visuell ist das aber hart an der Grenze des Machbaren (wenn das DSS Bild nicht wär...).

    Auch in der weiteren (2°) Umgebung von M109 gibt es wieder weitere Galaxien zu sehen - super ! Ich bin total begeistert: überall tauchen schwache Fuzzies auf - genau wie es bei Kriege/Berry heisst in 'The Dobsonian Telescope': Wherever you point your telescope, you see galaxies. :-)


    M109, Feldgrösse 20' x 20', © STScI Digitized Sky Survey


    (6) NGC 4088 = Arp18 (Gx, UMa)

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    Während beim Starhop immer wieder Galaxien durchs Bild ziehen, geht es 3° nach Süden, wo NGC 4088 (11.1m) steht. Ihre klar erkennbare S-Form schmeisst mich wirklich fast von der Leiter. Wow, oh wow ! (Ich hoffe Thomas ist nicht schon genervt von meinem Enthusiasmus :-) Bei hoch-konzentriertem Beobachten sind überall in der Galaxie Knoten und Verdickungen zu erkennen: grosse HII Gebiete. Am NO-Ende hängt noch ein abgetrenntes, grosses Gebiet dran. Wirklich unglaublich wie gut man diese Details hier sieht !!! Genial ! Sieht schon fast nach Starburster aus - tatsächlich steht ja gerade mal 11' südlich ein kleiner Nachbar. Beide Galaxien haben um die v= 730 km/sec Redshift, also sind sie ein physikalisches Paar (keine reine Projektion) und eine frühere Passage bzw. Wechselwirkungs-Anregung zur Sternbildung ist hier sogar wahrscheinlich. Die 11' übersetzen sich für diese Entfernung in nur 100.000 Lj Relativ-Abstand, das ist gerade mal soviel wie der Durchmesser unserer Galaxis - also recht nah ...! Ausserdem gab es 1991 die SN1991g in NGC4088, die von einigen Autoren (u.a. Blanton et al. 1995) intensiv untersucht worden ist.

    Anmerkung am 16.04.2009:
    Es gibt die neue Supernova SN 2009dd in NGC 4088. In der Beobachtungsnacht ist mir ein heller Stern neben dem Kern aber nicht aufgefallen. Sie muss also in der Zwischenzeit seit dem 20.3. hochgegangen sein. Wow ! Entdeckungsdatum war der 14.4.2009. Hoffentlich haben wir bald Gelegenheit, das Ding zu beobachten...
    Weitere Links über die CrossRef.

    Beobachtung der Supernova vom 21.04.2009:
    Ich hatte am 21.4. endlich Gelegenheit, SN2009dd zu beobachten. Dabei konnte ich die etwas schwachen (14.5m) V-Messungen aus dieser Lichtkurve nicht bestätigen. Ca 3.5' NO des Kerns steht ein 13.8mag Stern. Ich hätte die SN2009dd auf mindestens gleiche Helligkeit geschätzt, eher noch etwas (0.1-0.2m) heller, also etwa bei 13.6-13.7mag (Okular 5-9mm, 20.7mag/sas Himmel). D.h. die SN ist durchaus noch in 6" Geräten erreichbar. Für Helligkeitsschätzungen hier noch ein Referenzbild - Vorsicht: markiert ist hier die SN1991g (Blanton et al. 1995) - aber die R und B (!)Sternhelligkeiten sind zum Schätzen einigermassen nützlich. Der Helligkeitsabfall der Supernova (von der Initialhelligkeit zum Entdeckungszeitpunkt) ist Stand heute (24.4.) noch nicht wirklich sichtbar. Je nach SNII-Subtyp geht der Helligkeitsabfall recht schnell (SN II-L) oder eher Plateau-artig (SN II-P, längere Zeit konstant). Im Moment sieht es nach einem Plateautyp aus...


    NGC 4088, Feldgrösse 20' x 20', © STScI Digitized Sky Survey
    DSS-Bild oben zum Vergrössern anclicken !
    Entdeckungsbild der SN2009dd
    Referenzbild mit Vergleichssternen zu SN1991g


    (7) NGC 4157 (Gx, UMa)

    CrossRef
                           
    NGC 4157 ist nicht so aussergewöhnlich wie die vorigen Objekte, aber ein Exemplar von Galaxien, denen man immer wieder in der Gegend über den Weg läuft: Edge-on Spiralen. Und wie hier, sind darin oft Staubbänder zu beobachten, wie man es von NGC 891 oder NGC 4565 kennt. Aber ich bin schlicht überrascht von der Masse von Objekten mit solchen Details. Normalerweise kennt man ja nur einige wenige typische + helle Vertreter und nimmt an, bei anderen Galaxien seien solche Features einfach nicht zu sehen. Aber man muss sich immer klar machen: diese Galaxien sind so weit entfernt wie Virgo - und in solcher Entfernung sind durchaus Details erkennbar. Ich denke die Gegend um den UMa Track wird von der amateurastronomischen Forschung :-) wirklich schwer vernachlässigt ...!!!


    NGC 4157, Feldgrösse 20' x 20', © STScI Digitized Sky Survey


    (8) M106 (Gx, UMa)

    CrossRef
                           
    Wieder ein besonders helles Exemplar, mittig zwischen γ UMa und β CVn gelegen, aber schon zu den Jagdhunden gehörig. Mit 9mag ist sie easy schon in meinem Finder zu erkennen. Im Dob ist die Grundstruktur schon gut zu erkennen, aber nicht so extrem viele Details. Mich fasziniert eher die Vielfalt an Objekten in der Umgebung: im Umkreis von 1° gibt es einige Galaxien der 12-13mag Klasse. Herausragend ein halbes Grad westlich vor allem NGC4217, eine 891-ähnliche edge-on Spirale mit Staubband ('Sandwich'-artig). Überhaupt scheint es hauptsächlich edge-on's dort zu geben (NGC 4217, 4220, 4248, 4346, 4144).


    M106, Feldgrösse 20' x 20', © STScI Digitized Sky Survey


    (9) NGC 4449 (Gx, UMa)

    CrossRef
                           
    Mich zieht es 3.5° gen SSW zu NGC 4449 (v = 10mag). Beim Raussuchen der Objekte zuhause dachte ich: interessantes Objekt, erinnert vom Aussehen ein bisschen an Barnard's Galaxie NGC6822 (siehe CrossRef oder in diesem BB). Aber naja, dann wird's ja wohl (geringe Flächenhelligkeit) eher schwierig werden ...

    Dann stelle ich das Ding im Dob ein und flippe fast aus - oben auf der Leiter ! :-) Wahnsinn, wieviele fantastische Details dieses Objekt zeigt !!! Ich kann es kaum glauben, aber im Dob ist das Bild fast ebenso detailreich wie im DSS zu sehen. Natürlich zeigt das DDS-Bild mehr Kontrast und die Details sind klarer - dennoch: fast ebenso sehe ich es heute visuell in meinem 20" Dob ! Man sieht den hellen + langgestreckten Zentralbereich und darum herum gruppiert die vielen HII Regionen: zunächst im Norden die grosse helle Region, dann aber auch die 3 kleinen, fast sternförmigen Knoten, die unterhalb (S) der Galaxie in einer Reihe von NW nach SO angeordnet sind. Insgesamt macht das Ding eine hochstrukturierten Eindruck. Wa-ahn-si-inn ! :-) NGC4449 muss eine Art Starburster sein, so viele helle HII Regionen sind nicht selbstverständlich. Abgesehen von der Flächenhelligkeit erinnert sie wirklich an die besagte NGC 6822 - nur eben mit höherer FH und sehr viel mehr + besser sichtbaren Details!

    Als ich später die Literatur scanne, zeigt sich, dass 4449 in einschlägigen Kreisen tatsächlich ein sehr bekanntes Objekt ist. Es gilt - zusammen mit der LMC (Grosse Magellansche Wolke) als Prototyp einer Irr I Galaxie, welche charakterisiert werden durch (i) Fehlen von Rotationssymmetrie, (ii) hoher Gasgehalt (neutraler Wasserstoff = HI Gas in 4449: 2.4 x 109Msun, jedoch vergleichsweise aussergewöhnlich wenig CO), (iii) hohe FH und (iv) viele junge OB Assoziationen. Die Galaxie hat eine relativ hohe Sternentstehungsrate von SFR = 0.8 Msun /yr, die natürlich verantwortlich für ihr strukturiertes Aussehen ist - viel Sternentstehung macht viele HII-Gebiete und viele helle junge Sternhaufen (dann OB Assoziationen). Im Radiobereich (Hunter et al. 1998) sieht man, dass das Wasserstoffgas eine grossräumige + komplexe Verteilung aufweist (zwei gegeneinander rotierende Gassysteme mit 50' Durchmesser). Möglicherweise stammt dies aus einer Wechselwirkung (Kandidat wäre die Galaxie DDO 125 = UGC7577, 41kpc = 36' von NGC4449 entfernt). NGC4449 hat eine relativ niedrige Rotverschiebung von nur 245 km/sec (relativ zur Local Group) und liegt bei einer Distanz von etwa 3 Mpc (10 Mio Lj) (Distanzmodul (m-M) =27.3mag). In dieser Entfernung hat die Galaxie einen Durchmesser von ca 5 kpc (15.000 Lj), bei einer Absoluthelligkeit von MB = -17.9. Wenn man dies mit der Milchstrasse vergleicht wird klar, NGC 4449 ist eher eine Zwergalaxie (MW besitzt eine Absoluthelligkeit von ca -20mag).

    Diese physikalischen Details und wie detailliert man NGC4449 in dieser Nacht sehen konnte, machen sie für mich wirklich zum Objekt des Abends - hochgradig empfehlenswert für alle Galaxien-Fans - Prädikat: unbedingt angucken! :-)


    NGC 4449, Feldgrösse 20' x 20', © STScI Digitized Sky Survey



Version: 17.03.2010
Initial: 22.03.2009
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