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Beobachtungsbericht   27./28.08.2008    (08/2008)
Endlich AE Andromedae !

    Beobachter: P. Surma
    Datum/Zeit: 26./27.08.2008, 22:00 - 1.30 MESZ
    Ort: KABR
    Kollegen: Thomas Schmitt, Christian Busch, und noch 2 Kollegen

    Sonne: Sonnenuntergang 20:22 MESZ
    Astronomische Dämmerung (Ende/Anfang): 22:20 / 4:36 MESZ
    Mond: Mondaufgang 03:15 MESZ
    abn Mond, 10% beleuchtet (-7.5mag)
    Wetter: Wolken am N-Horizont, Windstill, etwas Tauprobleme, Wolkendurchzug um 0:30
    Temperatur ca. 15°C
    Grenzgrösse: Transparenz gut, Seeing recht gut
    Himmel: meist 21.2, später bis 21.35 mag/sas (Maximalwerte mit SQM-L)

    Teleskop: 20" f/4 Dob
    + 6" f/5 Newton Bigfinder
    Montierung: Dobson (manuell)
    Filter: Astronomik OIII + UHC
    Okulare:
    (Dob /
    Finder )

    f 31mm 20mm 13mm 9mm 5mm
    AP 7.8mm 5mm 3.3mm 2.3mm 1.3mm
    V 65x 100x 155x 225x 400x
    Feld 1.25° 0.8°
    50'
    0.5°
    30'
    0.36°
    22'
    0.2°
    12'
    Maglimit 15.8m 16.5m 16.9m 17.1m 17.0m






    AP 6.2mm 4.0mm 2.6mm 1.8mm 1.0mm
    V 24x 38x 58x 83x 150x
    Feld 3.4° 2.2° 1.4° 1.0° 0.55°
    33'
    Maglimit 13.6m 14.1m 14.5m 14.7m 14.9m


    Objekte: Diffuse Emmisionsnebel (Neb):
          NGC 7000, Cocoon IC 5146
    Dunkelwolken (DW):
          B168
    Galaxien (Gx):
          M31, M33
    AGN (Quasare, Seyfert, BL Lac):
          -
    Cluster (GxCl) + Gruppen (GcGrp)
          -
    Planetarische Nebel (PN):
          -
    Planeten + Monde:
          -
    Sternhaufen:
          M71 (GC), M15 (GC), NGC 188 (OC), M39 (OC)
    Sterne:
          AE And = Einzelstern in M31


    Bilder der Objekte: © STScI Digitized Sky Survey.    Alle Daten + Zeiten (in MESZ) aus Guide 8.0.
    Klick auf die Nummer in der Übersicht springt zu dem Objekt. Klick auf das CrossRef -Symbol vor jedem Objekt springt auf eine Seite mit zusätzlichen Links + Infos. Maglimits der Okulartabelle sind gerechnet  für optimale Bedingungen im Zenit und fst 6.5m. Meine subjektiven Highlights der Nacht sind gelb markiert.


AE And in M31
STScI Digitized Sky Survey


Übersicht

    (1)   M71 (GC, Sag)
    (2)   M15 (GC, Peg)
    (3)   NGC 188 (OC, Cep)
    (4)   M39, B168 und Cocoon IC 5146 (OC/DN/Neb, Cyg)
    (5)   AE And in M31 (Star, And)

Diskussions-Threads zum Bericht

Einführung

    Endlich hatte meine Jagd nach extragalaktischen Sternen Erfolg ! Heute Abend konnte ich zum ersten Mal visuell den LBV (Luminous Blue Variable) AE And im 20" Dobson sehen. Nach einiger Vorbereitung und Recherche in den letzten Monaten und auch einigen Fehlversuchen (an anderen Kandidaten), war das endlich mal die Belohnung für das stundenlange Augenverrenken (auch vor dem Bildschirm am Computer). 'Zeugen' hatte ich auch dabei am KABR, leider aber zogen gerade Wolken über M31 als Christian selber nachschauen wollte (aber er hat ihn jetzt schon selber nachbeobachtet und mir also geglaubt :-)... Mittlerweile haben auch einige weitere Kollegen in USA das Ding gesehen.

    Nett an dieser Beobachtung für mich ist auch, dass ich die Leute persönlich kenne, die das für mich entscheidende Paper auf diesem Gebiet geschrieben haben. Sozusagen eine besondere Begegnung nochmal nach 12 Jahren Unterbrechung (wobei ich nie gedacht hätte, dass Einzelsterne mich mal so interessieren würden :-)...

    Als interessantes Intro dazu noch zwei besondere Kugelsternhaufen, die wohl ein jeder schon gesehen hat, und der älteste Offene Haufen am Galaxis-Himmel...
    Bon voyage !

Beobachtungen

    (1) M71 (GC, Sag)

    CrossRef
                           
    Die meisten von uns sind beim Durchblättern von Atlanten wohl schoneinmal über den kleinen Kugelsternhaufen M71 im Sternbild Pfeil gestolpert. Er steht mitten in der Pfeil-Verbindungslinie, und auch M27 ist ja nicht weit (4° entfernt)... M71 hatte mich deshalb interessiert, weil er unter den Kugelhaufen als besonders 'loser' Vertreter gilt, also sehr wenig Konzentration zum Zentrum hin aufweist. Das wollte ich mir heute mal ansehen.

    Die Aufsuchung ist denkbar einfach, auf der Mitte zwischen γ und δ Sagittae. Mein BigFinder zeigt mir beide Sterne und den Haufen sehr schön in einem Gesichtsfeld. Im Dob sieht M71 wirklich sehr offen aus, unschwer bis ins Zentrum aufgelöst natürlich, allerdings nur was die hellen Sterne anbetrifft. Bei höherer Vergrösserung sehe ich durchaus noch eine zu einem Untergrund verschmierte schwache Population schwächerer Sterne, die mir auch armartige Strukturen zu haben scheint (wohl ein Statistik-Effekt, genau wie bei den armartigen Strukturen (Sternketten) der hellen (RGB) Haufensterne, die man von vielen prominenten GCs her kennt (M13).

    Zum Hintergrund von M71: er ist ein vergleichsweise kleiner Haufen, nur knapp 40 Lj im Durchmesser, dabei ca 18.000 Lj entfernt im inneren galaktischen Halo. Aussergewöhnlich ist auch seine - für einen GC - recht hohe Metallhäufigkeit von ca 1/5 des solaren Wertes. Dagegen ist 1/100-solar bei Kugelsternhaufen durchaus üblich, ganz einfach weil am Anfang der Galaxienbildung (GCs entstehen früh, sie sind i.a. sehr alt !) das Gas noch nicht so stark von Supernovae angereichert war (im Metallgehalt). M71 muss also aus deutlich vor-angreichertem Material entstanden sein: entweder deutlich später als viele seiner Artgenossen (nachdem viele frühe Supernovae hochgegangen sind und das Gas anreicherten) oder in einer besonderen Region mit hohem Metallgehalt im Gas. M71 ist insofern also sicher interessant. Ebenso wundert man sich über seine geringe Dichte. Woher diese wohl stammt ? Aus der internen dynamische Entwicklung im Cluster (Stern-Stern-Wechselwirkung, Stern-Evaporation/Ejection, Relaxationseffekte) oder durch Stösse mit externen Objekten (Molekülwolken)...?

    In jedem Fall ist M71 einen Besuch wert, vor allem im Vergleich (die DSS Bilder haben den gleichen 15'x15' Ausschnitt!) zu seinem genau gegensätzlichen Kollegen im Südosten der nun folgt ...


    Feldgrösse 15 x 15', © STScI Digitized Sky Survey


    (2) M15 (GC, Peg)

    CrossRef
                           
    M15 oder NGC 7078 ist das ParExcellence-Beispiel für einen sehr konzentrierten Kugelhaufen. Mehr noch: M15 zeigt einen ausgeprägten, aufgesetzten 'Core' oder 'Cusp', wie er schöner eigentlich nirgends zu sehen ist. Dieser Kugelhaufen ist deshalb auch das Ziel vielfältiger theoretischer und beobachterischer Untersuchungen gewesen... (s.u.)

    M15 flog dem fliehenden Himmelspferd wohl wie Strassendreck aus den Hinterhufen (oder gar wie die sprichwörtlichen 'Pferdeäpfel' :-) - jedenfalls ist er easy aufzufinden in der 0.5-fachen Verlängerung der Linie θ → ε Andromedae. Gleich nebenan steht in 7' Entfernung auch noch pittoresk ein 7.6mag Stern, ein schöner Anblick im Okular, selbst bei hoher Vergrösserung.

    M15 haben die meisten von uns sicher schon angesehen, aber achtet man immer auf diesen deutlich abgesetzten Cusp ? Ich hatte das bisher übersehen, also schau ich mir das Ganze nochmal genauer an (vor allem im direkten Vergleich zu dem ganz andersartigen M71 oben). Der Cusp ist schon im 20mm Okular zu sehen: in der Mitte ist das Helligkeitsprofil des Clusters deutlich herausgehoben, wesentlich deutlicher als bei anderen GCs. Die (hellen) Sterne stehen dort wirklich extrem dicht ! Ich vergrössere bis auf 400x mit dem 5mm Okular, aber schaffe es heute nicht ganz, alle (hellen) Sterne bis ins Zentrum aufzulösen, das Seeing ist nicht gut genug. Allerdings habe ich die Beobachtung von gestern in SCHL noch gut im Gedächtnis: bei bestem Seeing waren bis ins Zentrum (und bei M15 heisst das tatsächlich etwas !) haarfein und extrem dicht Sterne aufgelöst zu sehen - ein Wahnsinns-Anlick, den ich - zusammen mit diesem fantastischen Seeing gestern - noch nie so hatte ! Der Cusp als solcher ist selbst im 5mm Okular (12' Feld) nicht wirklich formatfüllend - er ist doch eher klein ! - seine Grösse dürfte im Bereich von ca <30" liegen. M15 unterscheidet sich mit diesem Detail doch deutlich von z.B. M13. Nicht umsonst hört man von Kennern, nicht M13 sei der schönste Haufen, sondern M15 ! - Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist der schönste im ganzen Land? :-) ... also ich würde jetzt auch M15 sagen ! In den äusseren Gebieten ähnelt M15 aber durchaus M13: sehr helle RGB Sterne, Ketten, sehr gross + hell. Und auch: ähnlicher Effekte wie bei M13 - mit indirektem Sehen ist das Ding riesig !

    Woher kommt der Cusp/Core von M15 ? Warum haben nicht alle Kugelhaufen einen solchen ? Die Antwort und die Dynamik von Sternsystemen ist nicht wirklich einfach zu verstehen, es gibt dicke Wälzer darüber (für Leute mit Uni-Mathe und dickem Fell: J. Binney & S. Tremaine, Galactic Dynamics, Princeton Univ. Press 1987). Wichtig ist zu wissen: Sternsysteme entwickeln sich grundsätzlich verschieden, je nach dem ob ihre Sterne - statistisch gesehen - häufig direkt in 1:1 Wechselwirkungen 'aneinanderstossen' oder eben nicht (collisionless / collisional systems). Man kann relativ einfach einsehen, dass das davon abhängt (i) wie dicht das Sternsystem ist (wieviele Sterne N befinden sich in einem pc3) und (ii) wie lange es dauert bis ein Stern einmal komplett das System durchquert hat (das muss er ja häufig tun um oft genug an einen anderen zu stossen). Und letztlich ist auch wichtig, (iii) wie lange das System schon lebt, d.h. wieviel Zeit + Gelegenheit zu Stössen seine Sterne hatten. Mit konkreten Zahlen kann man ausrechnen, dass in elliptischen Galaxien z.B. während ihrer bisherigen Lebenszeit (10 Gyr = 10 Mrd. Jahre) praktisch keine Stern-Stern-Wechselwirkungen passier(t)en. Anders ist das nun bei Kugelsternhaufen ! Dort sind die Dichten so hoch, dass während ihrer Lebenszeit (ebenfalls ca 10 Gyr) durchaus viele Stern-Stern-Stösse stattfanden. Diese Stösse bewirken eine Entwicklung der anfänglichen Stern-Verteilung (in Position und in Geschwindigkeit): manche Sterne werden schneller, andere langsamer, manche wandern nach aussen, andere nach innen - netto gesehen sieht das System dadurch nach einiger Zeit ganz anders aus - man sagt es habe seine 'Anfangsbedingungen vergessen'. Und aus statistischen Überlegungen ist bekannt, dass es für solche 'collisional systems' wie Kugelhaufen keine Gleichgewichte gibt, d.h. sie sind in ihrer anfänglichen Form prinzipiell instabil. Tatsächlich streben alle Kugelsternhaufen einen Zustand an, in denen sich ein dichter Kern (aus Sternen) bildet und der Halo (aus Sternen) sich ausdehnt und 'aufgeheizt' (= immer schnellere Sterne dort - bis sie letztlich Fluchtgeschwindigkeit erreichen und 'abdampfen' - für Spezialisten: durch diesen Prozess steigt ihre Entropie). Die Frage ist lediglich, ob das für einen gegebenen GC schon passiert ist oder nicht (es gibt eine Formel dafür, in die die Parameter von oben - Dichte, mittlere Durchquerungszeit, Alter des Haufens - eingeht). Ist ein GC in einer solchen Phase so spricht man vom core collapse. Und M15 hat definitiv einen kollabierten Core ! Er hat also durch Stern-Stern-Stösse (vor allem im Kern) eine sehr starke dynamische Entwicklung hinter sich (im Gegensatz zu manch anderen GCs). Djorgovski + King (1986) behaupten (aufgrund von Vorauswertungen von CCD-Bildern vieler GCs), dass ca 1/5 aller GCs kollabierte Cores enthalten - beobachterisch richtig gut gesichert scheinen ihre Ergebnisse aber doch nicht zu sein ...

    Bleiben noch ein paar Standard-Daten zu M15 zu diskutieren. M15 ist - im Gegensatz zu obigem M71 - einer der metall-ärmsten GCs der Galaxis: [Fe/H]~ -2.1, er ist also mehr als 100x metallärmer als die Sonne. In einer detaillierten CMD-Studie finden Durrell & Harris (1993) durch Isochrone-Fitting ein Alter von (15 +- 3) Gyr und eine Entfernung von 10.3 kpc ((m-M) = 15.40 mag), was ihn den äusseren galaktischen Halo platziert. Das detaillierte CMD des Haufens (in scheinbaren V-Magnituden) von diesen Autoren findet man hier. M15 ist ein sehr massives Objekt seiner Klasse: ca 1/2 Mio Sonnenmassen und 200 Lj im Durchmesser (vgl mit M71 oben, siehe auch die DSS Bilder im direkten Vergleich!). Direkt neben M13 gesetzt, hätte unser aller Liebling im Herkules keine Chance gegen ihn - wow, wer hätte das gedacht ?!


    Feldgrösse 15 x 15', © STScI Digitized Sky Survey


    (3) NGC 188 (OC, Cep)

    CrossRef
                           
    Er steht schon lange auf meiner CrossRef-Liste: NGC 188, einer der ältesten Offenen Sternhaufen. Heute sollte er mal zu seinem Recht kommen. Schliesslich hatten auch die noch älteren Kollegen aus der Kugelfraktion ihre faire Chance heute - und offene Haufen tendiere ich sowieso irgendwie zu vernachlässigen. Also schauen wir heute mal wo das Knie von NGC 188 liegt - im HRD mein ich !

    Zur Aufsuchung ist einfach zu sagen, NGC 188 liegt für uns sehr günstig am Himmel: zirkumpolar und auf etwa 1/3 der Wegstrecke zwischen Polaris und der Cepheus-Spitze γ. In einem 30' Feld ist er schön eingerahmt: im Osten und Süden steht jeweils ein Sternpaar aus 8mag Sternen mit grob 10' Entfernung zueinenander. Genauso gross ist in etwa auch der Haufen in ihrer Mitte. NGC 188 - OK, naja spektakulär ist freilich was anderes, irgendwie scheint mir das Ding durchaus ziemlich abgebrannt zu sein (na stimmt ja auch die Hauptreihe runter :-). Aber es ist doch interessant zu wissen, wie der OC-Methusalem live aussieht. Auch fällt mir (jetzt) ein, ich müsste mal genau nachsehen, ob man auch in OCs die schwache Unterpopulation sehen kann (ähnlich wie in GCs ?) und wie das HRD genau aussieht auf visuelle Helligkeiten bezogen... Was seh ich da eigentlich genau ? Ich muss bei Gelegenheit wohl nochmal genauer nachbeobachten.

    Cluster wie NGC 188 sind interessant, weil sich durch Bestimmung des Alters etwas aussagen lässt über die Bildung und Entstehungsgeschichte der Galaxis. Alle sind sich einig, dass zuerst die sog. Bulge Komponenten entstanden sind, also alle Sterne + Haufen, die eine etwa kugelsymmetrische Raumverteilung besitzen und deren Sterne sich auf stochastischen Bahnen bewegen (d.h.keine/kaum Rotation, sondern 'dispersions-gestützt'). Dazu gehören z.B. auch die Kugelsternhaufen, die i.a. ein Alter von >10 Gyr haben. Wann aber kamen die Sterne der Scheibe dazu ? Wie und wann enstanden diese ? Ging das kontinuierlich nach der Bulge-Entstehung oder gab es eine grosse zeitliche Unterbrechung ? usw. usw. U.a. um diese Fragen zu beantworten, untersucht man z.B die ältesten Offenen Sternhaufen. Dazu wird i.a. das HRD des Haufens untersucht: das Abknicken von der Hauptreihe lässt auf das Alter schliessen. Allerdings ist das nicht ganz so einfach wie es klingt. Typischerweise werden dazu sog. Isochronen in die Sternverteilung gefittet (Isochrone: man nimmt eine Hauptreihe neu geborener Sterne und rechnet im Computer alle Alterungsprozesse durch. Dann bekommt man eine Population von genau gleich alten Sternen mit dem abknickenden Knie im HRD). Leider gibt es mehrere Dinge zu bedenken: (i) der Metallgehalt der Sterne verändert die Isochronen (Metallizität + Alter lassen sich nicht gut trennen in ihren Effekten, d.h. 'alt + metallarm' sieht aus wie 'jung + metallreich'), (ii) das interstellare Reddening durch Staub verschiebt die Sterne im HRD (oder CMD = Colour-Magnitude-Diagram), (iii) die Entfernung des Haufens ist nicht exakt bekannt, und schliesslich (iv) die theoretischen Rechnungen berücksichtigen nicht alle möglichen Effekte (klar: neuere Rechnungen sind i.a. besser als ältere). In Demarque et al (1992) kann man sich das HRD und theoret. Isochronen von NGC 188 ansehen. Die Autoren schliessen für NGC 188 auf ein Alter von 6.5 Gyr (Fehler: +1.5/-0.5 Gyr). Das ist also deutlich jünger als typische Kugelhaufen.

    Und übrigens: in besagtem Paper findet man auch noch einen Kandidaten der möglicherweise noch (ca 1 Gyr) älter ist als unser Matador NGC 188 hier: NGC 6791 - allerdings sind die Unsicherheiten in seinem Fall besonders gross (Metallizität + Reddening sind sehr unsicher !). OK, wer also noch einen Kandidaten für den ältesten OC sehen will mache sich auf ins Grenzgebiet Cyg/Lyr... :-)


    Feldgrösse 30 x 30', © STScI Digitized Sky Survey


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    (4) M39, B168 und Cocoon IC 5146 (OC/DN/Neb, Cyg)

    CrossRef
                           
    Den Cocoon will ich mir immer wieder mal anschauen, aber immer wieder enttäuscht er mich auch ein bisschen. So auch heute, er ist irgendwie unspektakulär + schwächlich, im UHC passabel zu sehen, ja aber ... Viel, viel mehr faszinieren mich da schon die äusserst offensichtlichen Dunkelwolken in der ganzen Gegend !

    Bei der Aufsuchung von Cocoon gehe ich immer von M39 aus, dem bekannten OC im nördlichen Cyg. Wenn man sich die Gegend im Feldstecher oder im Bigfinder ansieht, ist das schon sehr sehr beeindruckend ! Überall sind tiefschwarze Löcher in der Milchstrasse, Dunkelwolken mit Reservoiren von Staub + Gas für die Sternentstehung in der Scheibe unserer Galaxis. M39 scheint eine richtig belebte Strassenkreuzung für die Staubwolken zu sein: in allen 4 Himmelsrichtungen des Haufens liegen deutliche Dunkelnebel ! Insbesondere östlich von M39 gibt es zunächst 2 Sterne: π2 und ρ Cyg. Durch diese geht man hindurch und entlang eines langen Dunkel-Schlauchs auf den Cocoon zu. Dieser Schlauch ist ausserordenlich markant, wenn der Himmel hinreichend gut ist, besonders bei Bewegen des Feldstechers/Teleskops !

    Er ist in Barnard's Katalog als B168 bekannt. Ein tolles Stück Dunkelheit - sehenswert ! :-)


    Feldgrösse 150' x 60'
    © STScI Digitized Sky Survey, provided by ESO Online DSS
    (Zum Vergrösserrn anklicken !)


    (5) AE Andromedae in M31 (Star, And)

    CrossRef
                           
    Endlich ist es mir gelungen, einwandfrei einen Einzelstern in M31 zu beobachten: AE Andromedae, ein sogenannter Luminous Blue Variable (LBV) im Andromedanebel. Vorausgegangen ist dieser Beobachtung einiges an Literaturrecherche und auch schon ein paar Fehlversuche an ähnlichen Sternen.

    Es ist ja kein grosses Problem in M31 Kugelsternhaufen auszumachen - G1 ist das bekannteste Beispiel - gut sichtbar mit einem 8" Teleskop. Bei Einzelsternen aber tut man sich schwer: es gibt nur sehr sehr wenige Sterne die hell genug sind. Der Distanzmodul von M31 ist (m-M) = 24.5, d.h. die Absoluthelligkeit (Leuchtkraft) jedes Objekts in M31 wird auf dem Weg zu uns um 24.5mag abgeschwächt. Und das heisst wiederum: selbst in einem 20" Teleskop mit einem (visuellen) Detektionslimit von 17mag, braucht man ein Objekt mit einer Absoluthelligkeit von mindestens M = -7.5mag, damit man es sehen kann über diese Entfernung. Das ist schon der Bereich in dem moderate Kugelsternhaufen von Ihrer Helligkeit her angesiedelt sind. Einzelsterne mit solchen Leuchtkräften sind dagegen ziemlich selten (u.a. weil sehr kurzlebig und auch seltener in der Entstehung); ausserdem zeigen sie oft Variabilität und haben extreme physikalische Eigenschaften (Details hierzu siehe unten).

    Das erste Problem ist natürlich die Auffindung dieses schwachen Objekts. Wenn man den DSS nach 'AE And' fragt, bekommt man eine Position, die offenbar nicht (genau) stimmt. Weder auf der Rot- noch der Blau-Platte ist an genau dieser Position ein hinreichend helles Objekt zu sehen (mit <17.5mag müsste es ohne weiteres zu erkennen sein). Die richtige Position, die ich aus einem speziellen Paper einiger Ex-Kollegen :-) über LBVs habe, liegt ca +3s östlich (immerhin 33" entfernt) bei: α= 00h43m02s δ= 41°49'12" (2000.0). Auf dieser Position ist auch das DSS-Bild unten zentriert und darauf beruht somit meine Identifikation (Pfeil). Die Position liegt etwa 30' östlich des Kerns von M110 = NGC205 und ist von dort am leichtesten aufzufinden. Hier eine (schnell gemachte) Aufsuchkarte aus Guide für die Nachbeobachtung:


    Aufsuchkarte für AE And - Feldgrösse ca 40'x30'
    Rechts NGC205 = M110, AE And steht am linken Bildrand (Pfeil)
    (Karte erzeugt mit Guide 8.0)

    In unmittelbarer Nähe von AE And steht eine Gruppe aus 4 Sternen in Form eines 'Mercedes-Sterns' (45"-75" Schenkellänge). Sie besteht aus Sternen von ca 12.5mag. Davon ausgehend sucht man den LBV am besten mit der DSS Karte unten. Die visuelle Helligkeit von AE And schwankt im Bereich mv = 15.1 - 17.6m. In einem Fall sollte AE And in 20" gut auszumachen, ansonsten aber nicht detektierbar sein (20" V-Limit: ~17mag, natürlich hängt dies im Detail von vielen Faktoren ab, Himmel, Auge des Beobachters etc...). Was Helligkeitsangaben für LBVs angeht, muss man ausserdem recht sorgfältig sein: insbesondere die Absoluthelligkeiten werden oft bolometrisch (integriert über das gesamte elektromagnetische Spektrum, alle Wellenlängen) angegeben - das ist im Vergleich zu V-Helligkeiten um mehrere Mag zu hell (siehe 'bolometrische Korrektion' unten) ! Wikipedia gibt z.B. M = -10mag (???) an, das ist in diesem Fall nicht die Helligkeit die wir sehen können (sonst wäre AE And ein relativ einfaches 14mag Objekt)) !

    Ausgerüstet mit diesen Vorinformationen ist es unproblematisch die nächsten Nachbarsterne zu finden. Die Detektion von AE And ist jedoch schon eine schwierige Sache heute abend. Das Seeing ist ziemlich gut, der Himmel recht passabel (aber nicht exzellent): ca 21.25mag/sas. Zwei Sterne nördlich des Mercedes-Sterns sehe ich schon, aber AE And sträubt sich doch noch etwas mehr, er ist nochmal eine Kante schwächer. Letztlich kann ich ihn aber im 5mm Okular bei 400x dennoch gesichert sehen: indirekt sehr schwach, am Limit, aber immer wieder reproduzierbar an der gleichen charakteristischen Stelle. Die Helligkeit dürfte nicht ganz am Limit meines 20" liegen, deshalb schätze ich ihn derzeit auf mindestens 16.5mag. Es scheint dass sich der Stern derzeit etwas näher an seinem Helligkeitsmaximum, also in einer aktiven Ausbruchsphase (siehe unten) befindet. Im Ruhezustand ist er deutlich schwächer als mein Detektionslimit, nämlich visuell nur 17.6mag.


    Feldgrösse 15 x 15', zum Vergrössern Bild anklicken
    © STScI Digitized Sky Survey


    AE And gehört einer Klasse extrem leuchtkräftiger, variabler Sterne an, den sogenannten LBVs (Luminous Blue Variables). Diese Objekte gehören zu den massereichsten + leuchtkräftigsten Einzelsternen überhaupt, wobei sie sich nicht mehr auf der Hauptreihe (der Ort des Wasserstoffbrennens im HRD) befinden, sondern sich bereits in den Bereich rechts der Hauptreihe fortentwickelt haben. Ihre Energieproduktion ist gross genug um die oberen Schichten des Sterns instabil werden zu lassen (extremer Strahlungsdruck), was sich als stellarer Wind, Instabilität und eruptive Variabilität äussert. Jenseits dieser kritischen Masse- und Leuchtkraftwerte werden Sterne von ihrer eigenen Energieproduktion quasi auseinandergetrieben und können langfristig nicht 'überleben'. LBV-ähnliche Sterne stellen also das obere Ende der Sternpopulation dar.

    Die im visuellen Spektralbereich (mv) sichtbare Variablität der LBVs wird interessanterweise nur indirekt erzeugt, und die Gesamtabstrahlung dieser Sterne bleibt dabei sogar relativ konstant ! Wie das ? Dazu muss man folgendes verstehen: In der Ruhephase ist der Stern extrem heiss (20.000K) und strahlt damit einen Grossteil seiner Energie nicht im Visuellen sondern im UV ab (siehe Schwarzkörper-Spektrum für verschiedenen Temperaturen, visueller Bereich ist regenbogenfarbig markiert) - das Maximum der Spektralverteilung liegt weit blauseitig des V-Bandes bei ca 1000 Aengstroem. Dadurch ist aber die V-Helligkeit sozusagen 'künstlich' erniedrigt. und es gilt deutlich Mv > Mbol (BC = Mv - Mbol = 4mag, BC ist die sog. bolometrische Korrektion). Das ist auch der Grund für die sehr hoch negativen Magnitudenwerte die man in der Liste der hellsten Sterne sehen kann: BC für die heissesten O-Sterne liegt bei 4.5, d.h. die (Absolut-)Helligkeiten gehen visuell (!) eben nur bis in den -8mag Bereich, nicht bis -12mag (das ist bolometrisch!). Nun zurück zur Variabilität: Wenn der Stern in einen Ausbruch gerät, fliesst Gas von der Oberfläche radial nach aussen und erzeugt um den Stern eine sog. Pseudo-Photosphäre (scheinbare 'optische Oberfläche'), also eine Art Hülle, die jedoch kühler ist als der (ruhige) Stern, 'nur' ca 9000K (Sonne: 6000K). Der über allen Wellenlängen aufsummierte Strahlungsfluss bleibt dabei in etwa konstant, die Verteilung der Photonen auf die Wellenlängen aber verschiebt sich vom UV in Richtung des visuellen Bereichs und die visuelle Helligkeit steigt somit stark an. So variiert AE And im Visuellen zwischen mv = 17.6m (Ruhephase) im Minimum und mv = 15.1m (Ausbruch) im Maximum. Die eruptiven Phasen von LBVs sind nicht extrem häufig und geschehen auf der Zeitskala von Jahren (Anstieg, Dauer). Einen LBV generell oder hier eben AE And in einer Ausbruchsphase zu erwischen ist also nicht selbstverständlich !

    In einschlägigen Papers finden sich die konkreten Kennzahlen für AE And: Temperatur Teff = 21.000K, Radius R = 55 Rsun, Masse im Bereich von M = 60-80 Msun, Leuchtkraft L = 105.6 Lsun = 400.000 x Sonnenleuchtkraft, bolometrische Absoluthelligkeit Mbol = -9.4mag. Vom Spektrum (UV) her ähnelt AE And sogar dem sehr bekannten Stern η Carinae, wenn jener als Extrembeispiel ('a class of its own') auch nocheinmal etwas höhere Leuchtkraft besitzt.

    Visuelle Beobachtungen von AE And sind also derzeit absolut empfehlenswert, wenn man guten Himmel + ein 20"-Class-Teleskop besitzt. Der Stern befindet sich derzeit in einer Ausbruchsphase. Kollegen, die CCD-Photometrie wirklich beherrschen (Kalibration etc), können sich hier ebenfalls betätigen (schon mit relativ kleinen Instrumenten). Die professionellen Kollegen z.B. an der Landessternwarte in Heidelberg sind an verlässlich hergestellten Messwerten für solche Sterne durchaus interessiert (wenn jemand dazu ernsthaft einen Kontakt benötigt, bitte Email).

Version: 17.05.2009
Initial: 27.08.2008
© 2008 by P. Surma